Durch zunehmend flexibel ausgelegte Produktionsprozesse werden auch die Warenflüsse neu gedacht – und durch Fahrerlose Transportfahrzeuge realisiert. Komplexe Transportaufgaben lassen sich so ohne starre Materialflusslösungen in Fertigungshallen und Logistikbereichen effizient absolvieren. Im Idealfall navigieren die FTF völlig frei zu ihren Zielen. Dabei umfahren die Fahrzeuge selbständig Hindernisse und stoppen sicher vor plötzlich auftauchenden Menschen.
Safety muss deshalb bei den FTF an erster Stelle stehen. Nichts wäre fataler für den Hersteller und Betreiber der FTF, als wenn Menschen durch Kontakt mit dem Fahrzeug verletzt werden. Auch eine Kollision mit Maschinen oder Gefahrgut kann erhebliche Schäden nach sich ziehen. Das FTF muss somit spezifischen Sicherheitsfunktionen in der Steuerung, der Navigation, bei Bremsvorgängen und der Geschwindigkeitsüberwachung gerecht werden. Die entsprechenden Anforderungen im industriellen Bereich definiert die Norm DIN EN ISO 3691-4 „Fahrerlose Flurförderzeuge und ihre Systeme“. Außerdem gibt die Norm den erforderlichen Performance Level für Überwachungsfunktionen, Betriebsarten und die Bremssteuerung vor.
Das FTF muss somit spezifischen Sicherheitsfunktionen in der Steuerung, der Navigation, bei Bremsvorgängen und der Geschwindigkeitsüberwachung gerecht werden.
Um die Sicherheitsfunktionen zu erfüllen, sollten die Komponenten eines FTF möglichst unkompliziert in unterschiedliche Lösungsansätze integriert werden können. Voraussetzung hierfür ist die Unterstützung von Industriestandards und vor allem schon umfangreiche eingebettete Safety-Funktionen der Komponenten selbst. Dabei spielt das Antriebskonzept eines FTF eine wesentliche Rolle, um die Fahrzeuge kostenoptimiert und möglichst einfach projektieren zu können.
Safety-Rolle der Antriebslösung
In Bezug auf die Safety eines Fahrerlosen Transportfahrzeuges nehmen die Sicherheitssteuerung sowie Laserscanner für die Überwachung der Umgebung prinzipbedingt eine zentrale Rolle ein. Allerdings muss dann eine Umsetzung etwaiger Aktionen „sicher“ über die Antriebe erfolgen. Sicherheitskritische Faktoren wie Bremsvermögen, Geschwindigkeit, Lenkwinkel und Zuladungsgewicht sind voneinander abhängig und bei der Ausführung von Manövern des FTF zu berücksichtigen. Um diese im Bedarfsfall notwendigen sicheren Zustände über die Sicherheitssteuerung auslösen zu können, muss die Antriebstechnik mit Safety-Befehlen umgehen können.
Typischerweise kommen in der Praxis allerdings oft Antriebe ohne Bus-Schnittstellen und dem dazugehörigen Sicherheitsprotokoll zum Einsatz, wodurch zusätzliche Safety-Geber verbaut werden müssen. Aus Redundanz-Gründen ist bei bewegten Achsen immer ein zweites Signal notwendig. Diese Safety-Geber für die Überwachung der Fahrtrichtung und der sicheren Drehzahl des Antriebs kosten Geld, Integrationsaufwand und wertvollen Bauraum.

Das Fahr-Lenk-System ArgoDrive von ebm-papst für Fahrerlose Transportfahrzeuge ist eine Einheit bestehend aus Motoren, speziellem Getriebe, Sensorik und allen erforderlichen Anschlüssen und erlaubt flächenbewegliches Navigieren. (Foto: ebm-papst)
Aus diesem Grund hat ebm-papst bei seiner kompakten Antriebslösung ArgoDrive die notwendigen Komponenten für die Umsetzung eines auf Redundanzen basierten Safety-Konzepts bereits integriert. Dieses Fahr-Lenk-System vereint die Funktionen Vortrieb und Lenkung in einer Baugruppe und verfügt über die notwendige Sensorik und alle erforderlichen Anschlüsse. Jedes ArgoDrive, mit dem sich sehr einfach FTF mit omnidirektionaler Manövrierfähigkeit realisieren lassen, besitzt bereits redundante Gebersysteme. Neben den Hallsensoren der Motoren sorgt ein zusätzlicher zweiter Geber für die geforderte Redundanz, um die exakte Drehzahl sicher zu erfassen. Für die Bestimmung des Lenkwinkels gibt es ebenfalls ein auf Redundanz ausgelegtes Encoder-System.
Damit liefert das ArgoDrive gebündelt bereits die wichtigsten Grundlagen zur Generierung von Safety-Signalen für die übergeordnete Sicherheitssteuerung des Fahrerlosen Transportfahrzeugs. Hersteller von FTF sparen sich damit einen höheren Integrationsaufwand durch separate Encoder, um beispielsweise den Lenkwinkel eines Drehkranzes sowie die sichere Drehzahl zu erfassen. Durch die verfügbaren MttFd-Werte der Sensorik lässt sich auch das erreichbare Performance-Level mit den gängigen Tools berechnen.
Damit liefert das ArgoDrive gebündelt bereits die wichtigsten Grundlagen zur Generierung von Safety-Signalen für die übergeordnete Sicherheitssteuerung des Fahrerlosen Transportfahrzeugs.
Um Herstellern von Fahrerlosen Transportfahrzeugen bei der Wahl der Sicherheitssteuerung die maximale Freiheit zu bieten, müssen die wichtigsten marktüblichen Kommunikationsstandards unterstützt werden. Beim ArgoDrive bietet ebm-papst deshalb Support für CANopen ebenso wie für EtherCAT oder die Integration in die Steuerungsumgebung von Siemens mit Profinet.
Sicherer Stopp
Im Notfall muss das Fahrerlose Transportfahrzeug innerhalb einer, der jeweiligen Situation angemessenen kurzen Strecke zum Stehen kommen. Natürlich lässt sich bei einem schlechteren Bremsverhalten des FTF das von den Sicherheits-Scannern erfasste Schutzfeld vergrößern, allerdings reduziert sich dann die Einsatzeffizienz und Wettbewerbsfähigkeit des Fahrzeugs erheblich.

Fahrerlose Transportfahrzeuge können mit zwei, drei oder vier ArgoDrive ausgestattet werden – je nach erforderlicher Leistung und Gewichtsklasse. (Foto: ebm-papst)
Unabhängig von der Größe des Schutzfeldes muss das Antriebssystem bei Gefahr den Befehl eines sicheren Stopps zuverlässig ausführen. Hier ist dann vor allem eine hohe Bremsleistung erforderlich. Das ArgoDrive kann eine sofortige Notbremsung ebenso einleiten wie eine kontrollierte motorische Verzögerung mit bis zu 2,5 m/s2. Das mechanische Notbremsmoment beträgt dabei 60 Nm, während motorisch mit bis zu 30 Nm verzögert werden kann. Die mechanische Bremse dient zudem als Haltebremse, beispielweise um havarierte FTF auch auf Rampen gegen unbeabsichtigtes Losrollen zu sichern.
Bei einer Notbremsung leistet ein FTF mit vier verbauten ArgoDrives folgerichtig einen noch schnelleren Stillstand als mit zwei Einheiten plus Stützräder – weil das Bremsmoment aller vier Antriebe zur Verfügung steht. Hier zeigt sich bereits ein wesentlicher Vorteil dieser Lösung: Schon mit einem ArgoDrive lässt sich durch die kombinierte Antriebs- und Lenkfunktionalität ein Fahrerloses Transportfahrzeug realisieren.
Bereits mit zwei ArgoDrives ergibt sich für das FTF die Möglichkeit der vollen omnidirektionalen Manövrierfähigkeit. Und mit vier Antriebseinheiten lässt sich nicht nur das mögliche Transportgewicht nach oben skalieren, sondern wie erwähnt auch die maximale Bremsverzögerung. Auch beim Versagen der Stromversorgung des Gesamtfahrzeugs geht das ArgoDrive in einen sicheren Halt, um unkontrollierte Bewegungen zu vermeiden. Der angestrebte sichere Zustand ist damit erreicht.
Omnidirektionalität bei FTF mit ArgoDrive
Eine neue Lösung für Fahrerlose Transportfahrzeuge ist der ArgoDrive von ebm-papst. Er vereint die Funktionen Vortrieb und Lenkung in einer Baugruppe. Diese Einheit besteht aus Motor, Getriebe, omnidirektionaler Lenkung, Sensorik und allen erforderlichen Anschlüssen. Seine zwei Motoren tragen durch ein Überlagerungsgetriebe je nach Anforderung zum Lenken, Beschleunigen, Fahren oder Bremsen bei. Der unendliche Lenkwinkel ermöglicht die platzsparende Flächenbeweglichkeit des Fahrzeugs – auch aus dem Stand.
Je ein ArgoDrive pro Achse garantieren bereits die volle Omnidirektionalität. Je nach Anforderung an die Größe des Transportsystems sowie dem Gewicht der zu bewegenden Ware lassen sich auch drei oder vier Fahr-Lenk-Systeme verbauen. Um jede Anforderung an die zu bewegenden Massen, an den Bremsweg oder Bewältigung von Steigungen skalierbar zu erfüllen, bietet ebm-papst sein ArgoDrive in den Varianten Light, Standard und Heavy für Nutzlasten bis 100, 300 beziehungsweise 500 kg pro Rad an. Mit vier Heavy-Varianten ist dann ein Fahrzeuggesamtgewicht von bis zu zwei Tonnen möglich. Gleichbleibende Getriebeabmessungen über alle Baugrößen bei standardisierten Montagepunkten und einheitlicher, hochwertiger Steckverbindungen ermöglichen eine Anpassung des FTF an projektspezifische Anforderungen innerhalb von Minuten.
Neben einer hohen Bremsverzögerung muss der Antrieb auch problemlos eine Vielzahl von Notstopps ohne Einschränkung der Funktionalität vertragen. Das ArgoDrive verzögert bei einem Nothalt mechanisch über einen Bremsbelag das Rad maximal. Bei der überwiegenden Anzahl von Bremsvorgängen reicht jedoch die elektromotorische Verzögerung von 2,5 m/s2 stets aus, denn die Verzögerungsleistung eines Fahrerlosen Transportfahrzeugs ist auf die Größe der für die normale Fahrgeschwindigkeit eingestellten Schutzfelder abgestimmt. Notbremsungen leitet die Safety-Steuerung nur ein, wenn vor dem FTF plötzlich Gegenstände oder Menschen das engere Schutzfeld verletzen. Hier findet stetig eine hochdynamische Echtzeitüberwachung statt.

ebm-papst bietet den ArgoDrive ist den Varianten Light, Standard und Heavy an, alle weisen die gleiche Omnidirektionalität auf. „Heavy“ erlaubt ein Gewicht von maximal 500 kg pro Antriebseinheit. (Foto: ebm-papst)
Integrierte Ausfallsicherheit
Neben der Redundanz der Gebersysteme für Lenkwinkel und Drehzahl der integrierten Motoren muss das komplette Antriebssystem eine hohe Ausfallssicherheit aufweisen. Kernwerte wie die MttFd (Mean-time-to-dangerous-Failure) von elektronischen Komponenten sind für den Konstrukteur von Fahrerlosen Transportfahrzeugen ein Muss.

Der Transport schwere Rohkarosserien oder Europaletten, die auf ein Gewicht von bis zu 2 t ausgelegt sind, sind dann prädestiniert für FTF mit der Heavy-Variante. (Foto: ebm-papst)
Denn mit diesen Werten wird seine Safety-Berechnung ebenso gefüttert wie mit den B10-Werten für die rein elektromechanischen Bauteile des Antriebssystems wie der Bremse. Der B10-Wert kennzeichnet die nominelle Lebensdauer der Komponente bei einer Überlebenswahrscheinlichkeit von 90 Prozent. SISTEMA Safety-Software Tools ermitteln mit diesen Werten, ob die geforderte Ausfallsicherheit des Fahrerlosen Transportfahrzeugs mit dem Antriebssystem – oder auch jeder anderen verbauten Komponente – möglich ist. Für die Entwickler von FTF hält ebm-papst für das ArgoDrive diese wichtigen Werte wie MttFd für die Sensorik oder B10 für die Bremse parat.
Die hohen Qualitätsstandards von ebm-papst sorgen hier für eine lange Lebensdauer und Ausfallsicherheit der Antriebslösung. Eine Wartung des ArgoDrive ist während der gesamten Lebensdauer nicht notwendig. Das hebt ihn von mechanisch komplexeren Antriebskonzepten wie dem Mecanum-Rad ab, wo beispielsweise regelmäßiges Reinigen oder das Nachschmieren mit Öl nötig sind.
Hinzu kommt, dass der ArgoDrive durch sein einzigartiges Design im Gegensatz zu anderen omnidirektionalen Antriebseinheiten keinerlei bewegte Kabel oder Kontaktstellen im Fahr-Lenk-System aufweist. Zusätzlich sind die Antriebsbaugruppen und die Sensorik gekapselt im Gehäuse untergebracht und somit nicht den Umgebungsbedingungen ausgesetzt. Damit wird ein weiterer Ausfallgrund eliminiert.
Mehr als ein Komponentenlieferant
Die Umsetzung der erforderlichen Safety-Maßnahmen sind zweifelsohne eine Herausforderung für die Entwickler Fahrerloser Transportfahrzeuge. Entsprechend wichtig ist eine möglichst einfache Integration der Antriebslösung in das Gesamtkonzept. Beim ArgoDrive bietet ebm-papst bereits eine Vielzahl an integrierten Safety-Features, die das Leben der FTF-Hersteller erleichtern.

Die kompakte Antriebslösung ArgoDrive von ebm-papst für FTF verfügt über ein integriertes Safety-Konzept. (Foto: ebm-papst | Gernot Walter)
Hierzu zählt auch die vereinfachte Installation durch den Betrieb des Antriebs mit Schutzkleinspannung von 48 V DC. Konstruktive Zwänge für Antriebe die mit 230 V AC oder mehr betrieben werden sind weniger gegeben und die geringe Spannungsgröße stellt auch geringere Anforderungen an das Wartungspersonal. Das verringert nicht nur den Aufwand und spart somit Kosten, sondern erhöht auch die Ausfallsicherheit und das Safety-Level (nur Schutzkleinspannung). Ein weiterer Vorteil des ArgoDrive sind die vielfältigen Montagepunkte, sowohl seitlich als auch an Ober- und Unterseite.
Hersteller von Fahrerlosen Transportfahrzeugen können auch auf die Integrationserfahrungen von ebm-papst zurückgreifen. Der Anbieter des omnidirektionalen Fahr-Lenk-Systems kann aus seinen Erfahrungen in Projekten schöpfen und somit Empfehlungen bei der Umsetzung der Safety-Konzepte der FTF-Entwickler einbringen. Das betrifft beispielsweise das Auslesen der Safety-Signale, worauf es hierbei zu achten gilt und welche Fallstricke bei verschiedenen Bus-Systemen auftauchen können. ebm-papst sieht sich mit dem ArgoDrive nicht nur als Komponentenlieferant des Antriebssystems, sondern immer mehr auch als Entwicklungspartner für Hersteller der Fahrerlosen Transportfahrzeuge.
Freut mich zu lesen, was ebmpapst so toll weiterentwickelt.
Viel Erfolg und viele Einsatzfälle.