Herr Schumacher, warum gibt es den modularen Baukasten überhaupt?
In der Vergangenheit war der Geschäftsbereich Industrielle Antriebstechnik bei ebm-papst auf OEM-Projekte fokussiert. Da hat uns der Kunde genau beschrieben, was für einen Antrieb er gerne von uns haben möchte. Wir haben ihm dann exakt auf diese Anforderungen hin sein Produkt entwickelt. Wir sind auch weiterhin in kundenspezifischen OEM-Projekten unterwegs, gehen parallel aber verstärkt ins Breitengeschäft. Das bedeutet: Der Kunde sagt uns, was er möchte. Wir schauen in unseren Baukasten und schlagen einen Antrieb vor, der seine Anforderungen am besten erfüllt. Wir entwickeln in diesem Fall also kein neues Produkt, sondern bedienen uns aus einem definierten Baukasten und kombinieren einzelne Module zu einer Antriebslösung.
Heißt das, der modulare Baukasten ist für kleine Unternehmen besonders gut geeignet?
Genau, das sind die Kunden, die wir auch bedienen wollen. Was vorher zu aufwändig gewesen wäre – für einen kleinen Sonderbedarf eine Entwicklung anzustoßen – ist heute kein Problem mehr.
Was beinhaltet der modulare Baukasten?
Es gibt im Wesentlichen fünf Elemente: Motor, Getriebe, Elektronik, Bremse und Geber. Die Mindestausstattung für ein Produkt ist immer der Motor. Im Baukasten sind drei Baugrößen verfügbar: 42, 63 und 80 Millimeter in einem Leistungsbereich von 10 bis 750 Watt. Da die Motoren typischerweise Drehzahlen um die 4.000 Umdrehungen haben, benötigt der Kunde meist ein passendes Getriebe. Hier sind die Anforderungen dann sehr unterschiedlich. Der eine möchte das Getriebe inline vorne am Motor, der Nächste möchte es rechtwinklig und benötigt hierfür ein Winkelgetriebe. Andere Kunden haben vielleicht wenig Bauraum und suchen ein Getriebe, das sehr flach baut. Da ist dann ein Stirnradgetriebe passend. Entsprechend der Kunden-Anforderungen enthält unser Baukasten also unterschiedliche Varianten.

Der modulare Baukasten enthält im Wesentlichen fünf Elemente: Motor, Getriebe, Elektronik, Bremse und Geber. Über 4.000 Antriebsvarianten sind derzeit hinterlegt.
Was müssen Sie bei den Elektroniken berücksichtigen?
Das Besondere bei der Elektronik ist, dass wir den Antriebsregler, die Logik- und Leistungselektronik in den Motor integrieren – in unterschiedlichen Varianten für verschiedenste Anforderungen. Wir haben dafür verschiedene Elektroniken vom einfachen Drehzahlregler bis hin zur komplexen Positioniersteuerung und natürlich auch Bus-Systeme, um den Antrieb ansteuern zu können. Dann brauchen wir auch Bremsen, die den Motor in einer Position sicher halten. Die müssen für den Baukasten entsprechend vordesignt sein, damit sie später gut in unsere Motoren passen.
Das nächste Element sind Rotorlagegeber. Denn um eine hohe Positioniergenauigkeit bieten zu können, brauche ich immer ein hochauflösendes Gebersystem.
Auf der einen Seite sind die einzelnen Elemente des Baukastens standardisiert, auf der anderen aber dennoch sehr differenziert, wie lässt sich das steuern?
Im Baukasten unterscheiden wir zwischen Vorzugs- und Standardtypen. Das Besondere bei den Vorzugstypen ist, dass sie innerhalb 48 Stunden versandbereit sind. Das Thema Verfügbarkeit ist vor allem in der Entwicklung beim Kunden sehr wichtig: Je schneller der Entwickler etwas zum Spielen hat, desto eher ist er bereit sich damit zu identifizieren und mit dem, was er auf dem Tisch hat, weiterzugehen.
Wie viele Antriebslösungen können aus dem modularen Baukasten realisiert werden?
Momentan sind über 4.000 Antriebsvarianten angelegt. Theoretisch möglich sind aber noch viel mehr. Der Baukasten wächst und verändert sich auch stetig.
Gibt es eine Mengenbeschränkung für Teile aus dem Baukasten?
Grundsätzlich nicht, das Thema ist eigentlich nur die Verfügbarkeit. Bei Vorzugstypen kann der Endkunde darum pro Bestellung maximal 20 Stück ordern. Wenn er einen wiederkehrenden Bedarf hat, dann definieren wir für ihn natürlich einen Rahmen, aus dem er sich dann bedienen kann – egal ob das 5.000 oder 50.000 Stück sind.
Was waren die Herausforderungen bei der Erstellung des Baukastens?
Die Lösungen aus dem Baukasten müssen für unterschiedlichste Einsatzzwecke in den Bereichen Gerätetechnik und Industrieautomation geeignet sein. Es gibt eine Vielzahl von Anwendungen und Applikationen. Darum muss man sich davon lösen, dass alles immer maximal kostenoptimal ist. Denn Varianz und wiederholte Einsetzbarkeit, erreichen wir eher, wenn wir bei manchen Themen etwas mehr bieten.
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