
Über 300 wolkenlose Nächte unter einem klaren Sternenhimmel pro Jahr, kalte, trockene Luft und keine Lichtquellen wie Städte im Umkreis von über 100 Kilometern. Cerro Armazones auf knapp 3.000 Metern Höhe ist der perfekte Standort für das Extremely Large Telescope (ELT). Die Vorteile, die die Atacama-Wüste mit sich bringt, bergen gleichzeitig auch große Herausforderungen. Der feine Wüstensand und -staub ist gefährlich für die Technik. Zwischen Tag und Nacht schwanken die Temperaturen teilweise sehr stark. Und Chile ist eine der seismisch aktivsten Regionen der Welt – das heißt, das ELT muss fest auf seinem manchmal wackligen Untergrund stehen.
Schutz ist beim größten Teleskop der Welt also das wichtigste Stichwort. Unzählige Bauten und Systeme werden rund um die Uhr einen optimalen Betrieb des geschätzt 1,45 Milliarden Euro teuren Observatoriums sichern. Denn um so weit in die Ferne schauen zu können und dabei klare Bilder zu empfangen, sind die optischen Instrumente extrem sensibel. Bereits kleinste Luftverwirbelungen in der Kuppel des Teleskops könnten die Messungen verfälschen. Als Schutzmaßnahme wird daher zum Beispiel die Temperatur im Inneren der Kuppel über Stunden hinweg an die Außentemperatur angepasst, bevor sich die großen Kuppeltore dann öffnen.

Das Extremely Large Telescope wird auf dem Berg Cerro Armazones gebaut. Betreiberin ist die Europäische Sternwarte ESO, die Fertigstellung ist für 2028 geplant.
Das ELT verfügt über den größten optischen Spiegel der Welt, bestehend aus 789 Einzelspiegeln. Die Leitstern-Lasersysteme sorgen für scharfe Bilder.
RLT-Anlagen für die Leitstern-Lasersysteme
Ist die Kuppel offen, beginnt ein spektakuläres Schauspiel: Bis zu acht sogenannte Leitstern-Lasersysteme schießen ihre Strahlen in den Nachthimmel. Dort erzeugen sie künstliche Leitsterne, an denen das System der adaptiven Optik atmosphärische Turbulenzen misst und sich entsprechend selbst korrigiert. Die Bilder des ELT werden so ganze 16 Mal schärfer sein als die des Hubble-Weltraumteleskop – obwohl das vom All aus ins All schaut. „Alles ist anders als sonst. Und es gibt keinen Spielraum für Fehler“, so fasst Marco Lopes, CEO von Ocram, das Projekt zusammen. Die portugiesische Firma spezialisiert sich seit 25 Jahren auf maßgeschneiderte raumlufttechnische Anlagen (RLT) für anspruchsvolle Kunden – wie das ELT in Chile.
46
RLT-Anlagen kühlen die Lasersysteme
28
FanGrid Einheiten von ebm-papst sind darin verbaut
168
RadiPac EC-Ventilatoren insgesamt
Unsichtbar hinter den Kulissen werden insgesamt 46 von Ocram konzipierte RLT-Anlagen den Lasersystemen konstant perfekt temperierte, reine Luft zuführen und diese kühlen. Unsichtbar, aber kritisch: Selbst eine kleine Temperaturschwankung oder eine winzige Kontamination (wie ein Staubpartikel) könnte die Arbeit der Forschenden am ELT gefährden.
Die Anforderungen an die Lüftungsanlagen und ihre Bestandteile, wie die Ventilatoren, sind also sehr komplex und hoch. Zum einen ist da die Lage. Auch auf 3.000 Meter Höhe müssen die Anlagen zuverlässig die passende Leistung und den nötigen Druck liefern. Erdbeben oder verstopfte Filter wegen des Wüstensands dürfen ihre Arbeit nicht beeinträchtigen. „Und auch die Logistik ist eine Aufgabe für sich, schließlich liegt die Baustelle Hunderte Kilometer tief in der Wüste. Wir planen, 70 Container nach Chile zu verschiffen“, sagt Marco Lopes. Zum anderen ist da das ELT selbst. Die Anlagen arbeiten in einer sensiblen Umgebung mit unglaublich viel empfindlicher Elektronik und Sensorik. Deshalb dürfen sie auf keinen Fall Interferenzen verursachen.


Eine hochspezialisierte Plug-&-Play-Lösung
Validierungen, Simulationen, seitenweise Tabellen mit Berechnungen, Stakeholder in unterschiedlichen Ländern: Die Konzeption der Highend-RLT-Anlagen ist bei einem so außergewöhnlichen Projekt hochkomplex. Die zuerst angedachte Ventilatorlösung auch. „Die Ventilatoren hatten ein paar zusätzliche Komponenten. Die Kondensatoren sollten beispielsweise außerhalb sitzen, was uns mehr Arbeit bei der Verkabelung verursacht hätte. Und jedes Einzelteil, das in der Anlage dazukommt, bedeutet ein zusätzliches Risiko und eine zusätzliche Prüfung für uns“, erklärt Marco Lopes. „Wir wollten eine Lösung, die uns die Arbeit einfacher macht. Also haben wir bei ebm-papst in Portugal angeklopft.“

(Foto | G. Hüdepohl (atacamaphoto.com)/ESO)
Ocram nennt die Bedingungen für den Auftrag: zum einen die genannten technischen Herausforderungen – erdbebensicher, leistungsfähig in Höhenluft, absolute Zuverlässigkeit – dazu feste Lieferzeiten, und das Ganze möglichst ökonomisch. „Kein Projekt, wie man es jeden Tag angeboten bekommt“, sagt Nuno Pires, Managing Director ebm-papst Portugal. „Aber eines, bei dem wir unsere ganze Ingenieursleistung ausspielen können. Deswegen haben wir die Herausforderung angenommen.“
Als Erstes bildet sich ein kleines, flexibles ebm-papst Team mit Unterstützung aus Mulfingen. Die Aufgabe der Ingenieure, Techniker und Mitarbeitenden der Produktion lautet, die Komplexität der Anlage für Ocram zu lösen. „Statt unserem Kunden ein Legoset zum Selbstzusammenbauen zu geben, bekommen sie schon ein fertiges Plug-&-Play-Produkt. Eine Lösung mit allen Komponenten an Bord und ohne zusätzlichen Aufwand bei der Installation“, sagt Nuno Pires.

Gemeinsam mit ebm-papst arbeiten wir an einem Projekt, das weit über den Planeten Erde hinausgeht.
Marco Lopes, CEO OCRAM CLMA
Aktiv-PFC und automatische Resonanzerkennung
Dazu gehört zum Beispiel die Integration der bereits angesprochenen Kondensatoren in den Ventilator. Und zum Schutz der technischen Instrumente des ELT kommen alle Ventilatoren standardmäßig mit Aktiv-PFC: „Die Grenzwerte bei den Stromoberwellen waren streng und lagen bei maximal zehn Prozent. Laut unseren Simulationen sind wir deutlich darunter, bei maximal fünf.“ Um die Leistung und Betriebssicherheit der Anlage zu sichern, schlägt das Team ein FanGrid vor, bestehend aus jeweils sechs EC-Ventilatoren. Sollte einer ausfallen, können die fünf übrigen nach wie vor die nötige Leistung bringen. „Außerdem haben wir sie mit weiteren Schutzvorrichtungen gegen mögliche Resonanzen oder seismische Aktivitäten ausgestattet“, so Nuno Pires. Insgesamt wird es 28 solcher FanGrid-Einheiten geben. „ebm-papst hat den Job exzellent erfüllt. Wir sind von ursprünglich großen AC-Ventilatoren zu mehreren kleinen EC-Ventilatoren gewechselt, so überzeugend war die Lösung“, erzählt Marco Lopes.
Integrierte aktive Gleichrichtung (PFC)
EC-Ventilatoren haben aufgrund ihrer Schaltungstechnik keine sinusförmige, sondern eine pulsförmige Stromaufnahme. Diese Abweichung bedingt Stromoberschwingungen, welche zu einer sogenannten Verzerrungsblindleistung führen, die das Netz belastet. Wenn aufgrund der Anwendung bereits geringste Verzerrungen problematisch sind, müssen die Oberschwingungsanteile im Strom also auf ein Minimum reduziert werden. ebm-papst hat deshalb als erster Ventilatorenhersteller eine dreiphasige Aktiv-PFC-Stufe in Form eines aktiven Gleichrichters in ihre EC-Ventilatoren integriert. Der pulsförmige Aufnahmestrom der EC-Motoren wird so ohne zusätzlichen Aufwand für den Nutzer in einen sinusförmigen Aufnahmestrom umgewandelt und minimiert Netzrückwirkungen.
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