
Jörg Hornberger, Fachexperte Entwicklung Industrielle Antriebe
Markus Flaig, Leiter Entwicklung Industrielle Antriebe
Die Dauerleistung eines Motors wird in vielen Applikationen durch seinen thermischen Haushalt begrenzt. Damit der Motor in einer Anwendung nicht überhitzt, ist eine optimale Auslegung elementar. Für die Auslegung wird in der Regel auf das Nennmoment zurückgegriffen. Das bezieht sich allerdings auf einen Motor, der im Dauerbetrieb in einem klar definierten Arbeitspunkt mit gleichbleibender Drehzahl und konstantem Drehmoment läuft. In diesem Fall stellt sich nach einer gewissen Zeit ein thermisch eingeschwungener Betrieb ein.
In vielen Anwendungen, vor allem im dynamischen Betrieb, ändern sich jedoch die Arbeitspunkte ständig. Zum Beispiel bei einem Shuttle in einem Hochregallager. Sobald es den Auftrag erhält, ein Fördergut zu holen, beschleunigt es vom Startpunkt aus auf die benötigte Drehzahl. Es fährt dann mit konstanter Drehzahl in Richtung Zielort und bremst dort ab, um am gewünschten Punkt zum Stehen zu kommen. Die benötigten Drehmomente für Beschleunigung, Konstantfahrt und Bremsen sind dabei jeweils unterschiedlich. Das Beispiel verdeutlicht, dass in dynamischen Anwendungen mehr Parameter in der Auslegung berücksichtigt werden müssen als in einem einfachen Dauerbetrieb: Beschleunigungs-, Fahr- und Bremsmomente sowie Stillstandszeiten.
Die am Anfang dargestellte Formel für das effektive Drehmoment bildet einen solchen Zyklusbetrieb idealisiert ab. MA und tA berücksichtigen dabei Anlaufmoment und Hochlaufzeit — um im Beispiel zu bleiben, die Beschleunigungsphase des Shuttles. ML und tL Lastmoment und Belastungszeit der Fahrt zum Zielort, während MBr und tBr den Bremsvorgang in die Formel integrieren. Mit tSt wird auch die Stillstandszeit (ohne Drehmoment) berücksichtigt.
Die Formel ist abhängig vom tatsächlichen Zyklus beliebig erweiterbar und ermöglicht es, das einem Dauerbetrieb entsprechende effektive Drehmoment zu bestimmen. So lässt sich beurteilen, ob der gewählte Motor für die Anwendung geeignet ist. Das effektive Drehmoment der Applikation muss dabei kleiner oder gleich dem Nennmoment des gewählten Motors sein.
Das effektive Drehmoment ist eine Hilfe für die Auswahl des passenden Motors. In der Motorentwicklung verwenden wir repräsentative Arbeitspunkte (Dauerbetrieb) für die Auslegung und Charakteristik der verschiedenen Motorgrößen. Sie basieren auf Erfahrungswerten aus Anwendungsfällen.
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