Rechenzentren stillen unseren immer größeren Datenhunger. Dabei verschärfen sie die Klimakrise: Sie produzieren erst Hitze und lassen die dann verpuffen, zweigen Millionen Liter Wasser von Gemeinden und Landwirtschaft ab, nutzen fossile Brennstoffe oder gar Atomenergie, versiegeln die Natur. Ein deprimierender Blick auf eine rapide wachsende Branche. Das muss aber nicht so sein. Infomaniak, führender Schweizer Cloudanbieter, sieht nicht nur einen Hoffnungsschimmer, sondern hat ihn gebaut: mit dem D4, dem nachhaltigsten Rechenzentrum Europas. Und Infomaniak macht es anderen Betreibern von Rechenzentren leicht – die müssen nur d4project.org in den Browser eintippen, sich die Open-Source-Dokumentation des Projekts anschauen und das Ganze nachbauen.


„D4 ist replizierbar. Und dieses Wissen teilen wir transparent und kostenfrei mit der gesamten Branche, um endlich die nötigen Veränderungen herbeizuführen“, sagt Boris Siegenthaler, Mitgründer und strategischer Denker des unabhängigen Schweizer Cloud-Anbieters. Als Unternehmen, das nicht börsennotiert ist, sondern seinen Mitarbeitenden gehört, tun sie schon immer das, wovon sie überzeugt sind. Ihre Vision ist eine ethische Cloud, die Europa technologisch unabhängiger macht und keine Kompromisse bei Daten- und Umweltschutz eingeht. Dafür reinvestiert Infomaniak seit 2015 alle seine Gewinne – und baut seine eigenen Rechenzentren und nur in der Schweiz.
95 %
der verbrauchten Energie werden außerhalb des Rechenzentrums wiederverwendet.
6000
Haushalte können ganzjährig mit der Abwärme des D4 beheizt werden.
Unsichtbar, unhörbar
Das D4 steht nicht in einem Industriegebiet ab vom Schuss. Es liegt versteckt unter einem Park im Genfer Öko-Wohnquartier „La Bistoquette“, ohne Flächen zu versiegeln. Die Genossenschaft des Quartiers entschied sich bei der Planung des Viertels dazu, aus Umweltgründen weniger Autos und weniger Parkplätze zuzulassen. Wo ursprünglich eine Tiefgarage angedacht war, wurde unterirdisch Platz frei. Und Infomaniak suchte zu genau der Zeit einen Standort für ein Rechenzentrum, dessen Abwärme wiederverwendet werden soll. Was für eine Win-Win-Situation!

(Bild | Jordi Ruiz Cirera/Fotogloria)
Kühlen aus eigener Quelle
Der Bau des D4 dauerte viereinhalb Jahre, mehr als doppelt so lang wie normalerweise. „Wir mussten vieles im laufenden Prozess immer wieder neu denken“, erklärt Boris Siegenthaler. „Die größte Herausforderung war es, das Kühlkonzept bei gleichbleibender Grundfläche um 25 Prozent Kapazität zu erhöhen.“ Das war nötig, um den erhöhten Wärmebedarf im Betrieb zu decken. Eine Herausforderung, mit der sich vor allem S+T Service & Technique SA (S+T) beschäftigte, ein Schweizer Spezialist für Klimatisierung, Belüftung und Heizung. Sie hatten 2013 bereits mit Infomaniak an deren ersten Rechenzentrum ohne Klimaanlage und reiner Kühlung über Außenluft gearbeitet. Daher wussten Christian Logean und sein Team schon ungefähr, was sie beim D4 erwartet: „Im Prinzip ist alles, was wir im D4 an Technik einsetzen, Teil der heutigen Möglichkeiten. Es ist eher die kluge Kombination, die es so besonders macht.“


D4 nutzt die Energie, die es verbraucht möglichst effizient. Und es nutzt die entstehende Abwärme, um die verbrauchte Energie zurückzugeben. Dafür muss die gesamte, von den Servern und anderen elektrischen Anlagen aufgeheizte Luft zuverlässig zu den Wärmetauschern- und pumpen und kalte Luft zur Kühlung ebenso zuverlässig zu den Servern zurückgeführt werden. S+T suchte nach einer Lösung für insgesamt drei Ventilatorwände, sogenannte FanGrid: „Eins für die Umluft, eins für die Abluft, und eines für die Außenluft. Die Ventilatoren mussten leistungsstark sein, um die Luftzirkulation jederzeit sicherzustellen, dabei aber am besten mit niedriger Drehzahl laufen. Wegen der umliegenden Wohnhäuser war es wichtig, dass unsere Lösung absolut geräuscharm ist“, erklärt Christian Logean. S+T verglich unterschiedliche Anbieter und entschied sich für ebm-papst: „Das Unternehmen ist führend in dem Bereich. Deswegen wollten wir mit ihnen arbeiten.“

Wegen der umliegenden Wohnhäuser war es wichtig, dass unsere Lösung absolut geräuscharm ist.
Christian Logean, Leiter Planungsbüro S+T
Betrieb gesichert, egal was kommt
Den Vorteil eines FanGrid sieht Christian Logean vor allem in der Redundanz – auch bei einzelnen Ausfällen oder reduzierter Kapazität ist der Betrieb von D4 nie gefährdet. „Und sollte die Wärmerückgewinnung tatsächlich einmal ausfallen, können wir die FanGrid problemlos auf den Betrieb mit Außenluft umstellen und die Server bleiben kühl.“ Die Leistungsberechnung machte S+T selbst. „Mit dem FanScout von ebm-papst haben wir die Anlagen präzise geplant. Wir bestellten 70 RadiPac der zweiten Generation in der Baugröße 800 – alles easy. Die größte Herausforderung war das Einbringen, weil wir die riesigen Ventilatoren per Kran in das unterirdische D4 heben mussten“, sagt Christian Logean. S+T lieferte Infomaniak auch noch das eigene Steuerungssystem Digimat, das die Ventilatoren rund um die Uhr per MODBUS bedarfsgerecht regelt.
Normales Rechenzentrum vs. D4
Normale Rechenzentren geben die beim Betrieb entstehende Wärme an die Umgebungsluft ab.
D4 nutzt die gesamte erzeugte Wärme über ein geschlossenes System von Luft-Wasser-Wärmetauschern und Wärmepumpen und speist sie ins Fernwärmenetz ein, genug um ganzjährig etwa 6.000 Haushalte zu versorgen.
Normale Rechenzentren kühlen die Server mit wasserintensiven Kühlsystemen oder energieaufwendigen Klimaanlagen.
D4 hat nichts davon. Es nutzt den Rückgewinnungsmechanismus seiner Wärmepumpen für kühles Wasser und hält die Server damit konstant bei 28 Grad.
Normale Rechenzentren setzen auf globale Zulieferer, unabhängig von Transportwegen oder lokaler Wertschöpfung.
D4 arbeitet wo möglich mit europäischen Unternehmen, für eine bessere Ökobilanz, echte Partnerschaften und technologische Unabhängigkeit.
D4 macht Energiewende
Seit November 2024 ist D4 in Betrieb und wird schrittweise stärker ausgelastet, bis es 2028 seine volle Leistung erreicht. Mindestens 20 Jahre wird es seinen Beitrag leisten und zeigen, dass Rechenzentren nicht nur Stromfresser sind, sondern Akteure der Energiewende. Dafür überwacht Infomaniak vor allem zwei Indikatoren: PUE und ERF. Die Kennzahl PUE (Power Usage Effectiveness) setzt den gesamten Energieverbrauch des Rechenzentrums ins Verhältnis zum Energieverbrauch, der nur für die IT-Systeme wie Server genutzt wird. Alles, was über 1 liegt, verbraucht das Rechenzentrum für seine Klimatisierung und andere Infrastrukturen. Der PUE des D4 liegt durchschnittlich bei ungefähr 1,09. Das heißt, für jede Einheit Strom, die die IT verbraucht, benötigt D4 nur 0,09 Einheiten – 9 Prozent – zusätzlich für andere Infrastrukturen. Global gesehen liegt der PUE im Schnitt bei 1,58 – fast 60 Prozent Energie verbrauchen diese normalen Rechenzentren also on top für beispielsweise ihre Kühlung.

(Bild | Jordi Ruiz Cirera/Fotogloria)
Der ERF (Energy Reuse Factor) misst, wie viel der insgesamt verbrauchten Energie außerhalb des Rechenzentrums wiederverwendet wird. Der liegt beim D4 bei knapp unter 1, durchschnittlich bei 0,95 – 95 Prozent werden also in Form von Wärme wiederverwendet. „Unser Ziel ist es natürlich, in beiden Fällen so nahe wie möglich an die 1 ranzukommen und neue Standards zu setzen“, so Siegenthaler.
D4 wurde bereits mehrfach ausgezeichnet, unter anderem 2023 mit dem Schweizer Ethikpreis und 2025 mit dem Preis der Energiewende. Doch damit ist für Infomaniak natürlich noch nicht Schluss. „Um unser Wachstum zu unterstützen, suchen wir aktiv nach weiteren Fernwärmenetzen. Bis 2028 benötigen wir ein weiteres Rechenzentrum mit mindestens 3,3 MW. Wir beziehen den Strom lokal und geben unsere CO2-freie Abwärme kostenlos ab“, sagt Boris Siegenthaler. Mit dem D4 hat das Unternehmen bereits gezeigt, dass es funktioniert, wenn man es nur anpackt. „Ein anderes Paradigma ist möglich.“

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