Zu einer Zeit, als Kohle noch der Brennstoff Nr. 1 war und die Diskussion um erneuerbare Energien in weiter Ferne lag, prophezeite Jules Vernes in seinem 1874 veröffentlichten Roman „Die geheimnisvolle Insel“: „Das Wasser ist die Kohle der Zukunft. Die Energie von morgen ist Wasser, das durch elektrischen Strom zerlegt worden ist. Die so zerlegten Elemente des Wassers, Wasserstoff und Sauerstoff, werden auf unabsehbare Zeit hinaus die Energieversorgung der Erde sichern.“ Knapp 150 Jahre nachdem der französische Schriftsteller diese Zeilen schrieb, hat sich seine Vision noch lange nicht erfüllt. Doch angesichts der Herausforderungen durch den Klimawandel und der Suche nach neuen Energiequellen erlebt Wasserstoff als Energielieferant in Politik, Wissenschaft und Industrie eine immer größere Aufmerksamkeit. Der Vorteil liegt schließlich auf der Hand: Bei der Verbrennung entsteht kein klimaschädliches Kohlenstoffdioxid – nur Wasser.
Der Einsatz von Wasserstoff für das Heizen kann einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten.
Der Nachteil: Wasserstoff kommt auf der Erde nahezu nur in gebundener Form vor. Um es zu gewinnen, benötigt man viel Energie. Wie schon von Jules Vernes umrissen, lässt sich das Element mittels Elektrolyse gewinnen. Bei diesem Verfahren wird mittels Strom das Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt. Klimaneutral bleibt der Brennstoff also nur, wenn auch die Elektrizität aus umweltfreundlichen Quellen stammt. Hier kommen erneuerbare Energien ins Spiel.
Durch deren Ausbau wird es immer wichtiger, überschüssige Energie, die nicht sofort ins Netz eingespeist werden kann, auch über längeren Zeitraum zu speichern. Wind und Sonne halten sich eben nicht an die Nachfrage. In sogenannten Power to Gas-Anlagen lässt sich dieser klimafreundliche Strom nutzen, um beispielsweise Wasserstoff zu produzieren. Da Haushalte einen großen Anteil am CO2-Ausstoß haben, könnte der Einsatz von Wasserstoff für das Heizen einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Noch ist die Herstellung recht kostenintensiv, doch die Heiztechnikbranche steht in den Startlöchern.
Wasserstoff ist auf dem Vormarsch

Bild 1: Das Grundprinzip der Brennwertherme funktioniert auch mit Wasserstoff. Aber nur wenn die Komponenten entsprechend angepasst werden. Der Wasserstoff brennt anders als Erdgas. (Foto | ebm-papst)
Bereits heute ist es erlaubt, in Abhängigkeit von den Gaskennwerten nach DVGW Arbeitsblatt G260 Erdgas mit 4 bis 10 % Wasserstoff anzureichern. Doch wäre es möglich, ganz auf Wasserstoff umzusteigen? Momentan laufen mehrere Projekte, um genau das herauszufinden. So hat die britische Regierung mit „Hy4Heat“ ein Programm aufgesetzt, das prüfen soll, welche technischen und logistischen Hürden zu nehmen sind, um den Wasserstoffanteil nach und nach zu steigern. In Großbritannien ist mit 80 % der Anteil der Haushalte, die auf Gas setzen, im internationalen Vergleich besonders hoch, der positive Effekt wäre damit besonders spürbar.
Die drittgrößte Stadt des Landes Leeds plant, einen Teil ihres Gasnetzes mittelfristig auf 100 % Wasserstoff umzustellen. Auch auf dem Festland, genauer gesagt in den Niederlanden, gehen die Überlegungen in eine ähnliche Richtung. Dort kommt hinzu, dass die Ressourcen der Erdgasfelder bald ausgeschöpft sind. In Rozenburg bei Rotterdam laufen bereits Feldtests mit einer Wasserstoffanreicherung von 100 %. Deutschland wiederum ist führend, wenn es um Power-to-Gas-Anlagen geht. Die Forscher untersuchen in Testanlagen, wie sich mit minimalem Energieeinsatz möglichst viel Wasserstoff erzeugen lässt. Und es gibt diverse Studien zur Umwandlung von Gaspipelines zu Wasserstoffpipelines. Kurz: Der Markt ist in Bewegung.
Herausforderungen für Hersteller
Etliche Hersteller arbeiten daher daran, ihre Brennwertgeräte auf den sauberen Energielieferanten vorzubereiten (Bild 1). Ziel ist es, dies mit möglichst wenigen technischen und konstruktiven Änderungen zu schaffen. Die gute Nachricht: Das bisherige Funktionsprinzip kann bestehen bleiben. Aufgrund der Eigenschaften von Wasserstoff müssen hier jedoch im Wesentlichen folgende Aspekte berücksichtig werden: die Leckage-Anforderungen, die Materialverträglichkeit und vor allem das Brennverhalten.
Stichwort Leckage: Wasserstoff ist das leichteste aller chemischen Elemente mit der niedrigsten Dichte, es besitzt eine höhere Permeabilität als Erdgas durch Elastomere und Kunststoffe hindurch und hat wegen der etwas kleineren dynamischen Viskosität eine geringfügig höhere Leckage als Erdgas. Die Dichtigkeit der Komponenten in der Brennwerttherme muss entsprechend angepasst und mit entsprechenden Prüfverfahren kontrolliert werden. Ebenfalls gilt es, die Verträglichkeit der Materialien zu überprüfen.
Besondere Aufmerksamkeit erfordert das Brennverhalten (siehe Tabelle). So ist die Flammengeschwindigkeit achtmal höher als bei Methan. Dementsprechend können Hersteller nicht mit den bisherigen Brennern arbeiten, der Druckverlust steigt und die Leistung der Gebläse muss optimiert werden. Vor allem muss darauf geachtet werden, dass die Zündung nicht zu spät erfolgt. Wasserstoff ist nämlich sehr reaktiv und zündet wesentlich besser als Methan. Der Feuerungsautomat muss deshalb geringere Zündzeiten berücksichtigen. Ein weiterer Knackpunkt ist, dass für die Kontrolle und Überwachung der Verbrennung die gängigen Flammenmessverfahren mittels Ionisation nicht möglich sind. Heizgerätehersteller müssen also neue Sensoren oder Thermoelemente erproben.

Tabelle: Vergleich der Stoffdaten von Wassearstoff, Methan und Propan.
Ein entscheidender Punkt ist zudem: Wasserstoff hat zwar einen geringeren Heizwert als Methan, der für den Austausch von Brenngasen wichtige Wobbeindex ist jedoch annähernd gleich hoch. Um eine optimale Vermischung im Venturi zu realisieren, muss der Gas-Luft-Verbundregler entsprechend angepasst werden. Dem Zusammenspiel von Gasgebläse, Venturi und Gasventil kommt dementsprechend eine wichtige Bedeutung zu.
NRV 118 bereit für H2

Bild 2: Der „NRV 118 – Hydrogen“ ist für den Wasserstoffeinsatz bestens geeignet. (Foto | ebm-papst)
Der NRV 118 (Bild 2) von ebm-papst ist ohne Änderungen bereits für den Einsatz mit einem Wasserstoffanteil von bis zu 10 % ausgelegt. Die Ingenieure des Landshuter Standorts haben das etablierte Verbundsystem NRV 118 nun in mehreren Untersuchungen und ersten Feldtests auf die Wasserstofftauglichkeit überprüft. Das Ergebnis: Mit einigen Änderungen lässt sich das Verbundsystem auf den Einsatz mit 100 Prozent Wasserstoff anpassen. Das betrifft beispielsweise die Dichtigkeit von Gasventil und Gebläse, für die die Anforderungen erhöht wurden. Die verwendeten Kunststoffe und Metalle wurden auf ihre Eignung überprüft.
Ein weiterer Pluspunkt: Dank spezieller Vormischeinrichtung ist der NRV 118 bestens für den Wasserstoffeinsatz geeignet. Das „pre-fan-mix“-Gasgebläse kompensiert den niedrigeren Wobbeindex und Heizwert von Wasserstoff im Saugbetrieb. Komplizierte Steuerleitungen sind nicht erforderlich. Zudem können höhere Modulationen gefahren werden, da sich das Gasventil durch den Unterdruck optimal ansteuern lässt.

Bild 3: Noch ist es eine Vision. Aber Wasserstoff könnte in Zukunft das Erdgas ablösen und als klimaneutraler Brennstoff die Wärmeerzeugung übernehmen. (Illustration | ebm-papst)
Unterm Strich können Hersteller damit auch bei einem Einsatz von 100 % Wasserstoff auf den „NRV 118 Hydrogen“ setzen. Es wird noch einige Zeit dauern, bis der saubere Brennstoff flächendeckend zum Heizen eingesetzt werden kann (Bild 3). Aber wenn die Entwicklungen in Wissenschaft, Politik und Industrie so weitergehen, könnte Jules Vernes Vision in nicht allzu ferner Zukunft aus dem Reich der Fiktion in die Realität treten.
Was für Hersteller von Brennwertthermen bei der Umstellung auf Wasserstoff wichtig ist
- Die Flammengeschwindigkeit ist achtmal höher als bei Methan. Die Gebläse müssen auf den höheren Druckverlust der Brenner angepasst werden.
- Wegen der geringfügig niedrigeren dynamischen Viskosität muss auf die Leckage geachtet werden.
- Wasserstoff hat eine hohe Permeabilität. Es müssen geeignete Elastomer-Werkstoffe verwendet werden.
- Flammen-Messverfahren mittels Ionisation ist bei 100% Wasserstoff nicht möglich. Hersteller müssen andere Sensoren oder Thermoelemente erproben.
- Zündbelastungen und Zündzeiten müssen bei reinem Wasserstoff möglichst niedrig gehalten werden.
- Der Heizwert von Wasserstoff ist im Vergleich zu Methan geringer. Umso wichtiger ist ein perfekt abgestimmter Gas-Luft-Verbund.
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