Die Regeländerungen für die Formel-1-Saison 2017 sorgten im Frühjahr für große Diskussionen. Sie waren kein kleiner Facelift, sondern griffen stark in das Chassis und damit in die Aerodynamik des Fahrzeugs ein.
Solche Änderungen der Rahmenbedingungen durch übergeordnete Akteure sind in der Investitionsgüterindustrie Normalität. „Bei uns gibt es zwei treibende Faktoren: Regularien, die wir einhalten müssen, und eine ständige Verbesserung der Wirtschaftlichkeit“, betont Uwe Sigloch, Market Manager Lüftungs- und Klimatechnik bei ebm-papst.
Er hat sich in den vergangenen zehn Jahren unter anderem mit einer Regelung beschäftigt, die ebm-papst und seine Kunden besonders umtreibt: die Ökodesign (ErP Energy-related Products) Richtlinie der EU. Sie ist Ausdruck des Kyoto-Protokolls und hat das Ziel, alle verbrauchsrelevanten Produkte effizienter zu machen –vom Motor über Ventilatoren bis hin zu gesamten Klimageräten. So wird in der Ventilatoren-Verordnung beispielsweise der Mindestwirkungsgrad festgeschrieben.
Bloß nicht Letzter werden
Als nach Jahren der Planung 2013 die erste Stufe der Verordnung in Kraft trat, erfüllten sie rund 30 Prozent aller Ventilatoren nicht. „Es gibt immer Marktteilnehmer, die wollen den Status Quo erhalten“, sagt Sigloch. „Wenn man die Hürde nicht schafft, wird man disqualifiziert – und verschwindet möglicherweise vom Markt.“
Damit das nicht passiert, musste ebm-papst Dinge anpassen: Organisationsstrukturen, Datenblätter – und natürlich Produkte. „Man muss Dinge anpacken und eventuell umdesignen. Das Gerät kann oft nicht mehr so aussehen, wie bisher.“
Wenn man die Hürde nicht schafft, wird man disqualifiziert.
Uwe Sigloch, Market Manager Lüftungs- und Klimatechnik bei ebm-papst
Ein gutes Beispiel ist der Radialventilator RadiCal, bei dem die Ingenieure von ebm-papst die Formgebung in der Strömungsführung optimiert haben, um Verluste zu reduzieren. Zudem ersetzten sie AC-Motoren, die die Effizienzkriterien nicht mehr erfüllen konnten, durch hocheffiziente GreenTech EC-Motoren. Diese arbeiten nicht nur in dem von der ErP bewerteten Wirkungsgradspitze besonders effizient, sondern auch im Teillastbereich.
Die Industrie braucht Vorlauf
Auch Mercedes-AMG Petronas Motorsport muss die Ressourcen in der Organisation bestmöglich verteilen, wie Performance Director Mark Ellis aufzeigt: „Das ganze Jahr hindurch überprüfen wir, wie wir unser Personal am besten einsetzen – und in welchem Maße wir uns auf die aktuelle Saison und auf zukünftige Projekte konzentrieren.“
Doch es gibt auch Unterschiede. „In der Investitionsgüterindustrie brauchen wir viel Vorlauf für Änderungen, das ist in der Formel 1 ganz anders“, sagt Sigloch. Immerhin ist beim Ökodesign-Ansatz klar, wohin die Reise führt: Der Trend geht zu immer geringerem Energieverbrauch – und die Richtlinie gibt das Schritt für Schritt vor. Die nächste Stufe tritt voraussichtlich 2020 in Kraft, darauf lässt sich hinarbeiten. Produkte von ebm-papst übertreffen schon heute die Mindesteffizienzanforderungen von morgen bei weitem.
Ganz so vorhersehbar sind die Regeländerungen in der Formel 1 natürlich nicht. Dennoch ist es für Mercedes-AMG Petronas Motorsport wichtig, vorausschauend zu arbeiten, wie Marc Ellis betont: „Wir müssen jeden einzelnen Tag dem Wettbewerb voraus sein. Sicherlich verändert sich das am dramatischten während einer Regeländerung – die kommen aber auch nicht aus dem Blauen. Wir planen und organisieren schon vorab, um diese Änderungen mit zu betrachten.“
Eine Änderung bewirkt die nächste
Mit der Präsentation des neuen Boliden vor Saisonstart ist die Auswirkung der neuen Regeln nicht vorbei: „Wir verfeinern ständig die aerodynamischen Komponenten am Fahrzeug – entweder in Einzellösungen oder als Teil eines größeren Pakets“, erklärt Geoff Willis, Technology Director bei Mercedes-AMG Petronas Motorsport. „Die Verbesserungen, die wir nach den ersten vier Saisonrennen zum Grand Prix in Spanien einsetzten, sind dafür ein hervorragendes Beispiel.
Die Änderungen an Frontflügel und Nase während der Saison:
Verschieben Sie die Pfeile in der Mitte um Frontflügel und Nase zu vergleichen.
Wir hatten Frontflügel und Nase neugestaltet, um einen besseren Luftstrom zu erzeugen und mit dem neuen Bodendesign zu harmonisieren.“ Jeder Eingriff in einen Teilbereich des Systems, hat Auswirkungen auf weitere Bereiche. Das ist auch in der Industrie nicht anders – vor allem, wenn man Komponenten zuliefert. „Wenn der Ventilator aus irgendwelchen Gründen größer wird, muss gegebenenfalls das Gerät und am Ende vielleicht sogar das Gebäude größer werden“, gibt Uwe Sigloch zu bedenken.
Solch ein großes System ist ähnlich komplex wie ein Bolide, aber es sind deutlich mehr Parteien beteiligt – und alle müssen dieselben Regeln einhalten. „Regeln sind nur so gut wie ihre Überwachung“, betont Sigloch. Und er wünscht sich, dass die so gut funktioniert wie in der Formel 1. „Wenn einer schummelt, muss er bestraft werden. In der Industrie gibt es da noch Lücken, da ist die Formel 1 schon weiter.“ Da ist der Markt aber auch ein bisschen kleiner.
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