© Foto | ebm-papst, Ralf Kreuels

HyBlade: Selbst­kühler

Im Saar­land werden Wind­kraft­an­lagen entwi­ckelt und gebaut, die zuver­lässig sind und auch auf selbst­küh­lende Kräfte setzen – mithilfe von EC-Technik.


Einsam auf dem Hügel dreht sich in 69 Meter Höhe der Rotor einer Wind­kraft­an­lage. Es bläst ein ordent­li­ches Lüft­chen über Sitzerath im nörd­li­chen Saar­land. Der Bild­schirm der Anla­gen­steue­rung zeigt eine Wind­ge­schwin­dig­keit von 5 bis 15 Metern in der Sekunde. Im Inneren der Stahl­röhre klingt das nach dem Ächzen eines Schwerst­arbeiters. Dabei ist das Brummen das zufrie­dene Geräusch eines sich bei nahezu Nenn­last drehenden schlanken Riesen namens VENSYS 62 – des 2003 errich­teten Proto­typs der VENSYS Energy AG.

Wind­kraft­an­lagen (WKA) sind aus unserem Land­schafts­bild nicht mehr wegzu­denken. Unum­stritten sind sie jedoch nicht: Zu laut, zu starker Schlag­schatten, zu häss­lich, so lautet der Vorwurf mancher Bürger­initia­tiven und Gemeinden. Doch das ist nur die eine Seite, auf der anderen bieten die WKA große Vorteile: sicher, nahezu umwelt­neu­tral – und wartungsarm, wenn sie zukunfts­wei­send entwi­ckelt wurden. „Wir haben vieles, was kaputt­gehen kann, einfach wegge­lassen“, bringt es Tanja Maringer, Vertriebs­as­sis­tentin bei VENSYS in Neun­kir­chen, auf den Punkt. Einfach, lang­lebig und zuver­lässig sind die Anlagen, die im Saar­land entwi­ckelt und bald auch am neuen Standort in Neun­kir­chen produ­ziert werden.

Maxi­maler Wirkungs­grad

Das Herz­stück der getrie­belosen Wind­tur­bine, die man im Prototyp in Sitzerath testete und damit einen neuen Stand der Technik schuf, ist die inno­va­tive Gene­ra­tor­technik. Der Gene­rator basiert auf Perma­nent­ma­gnet­technik, die es für elek­tri­sche Antriebe bereits gab, die nun jedoch auch für Wind­ener­gie­an­lagen nutzbar gemacht wurde. Bei diesem Außen­läufer-Gene­rator wird das Erre­ger­feld durch Perma­nent­ma­gnete aus Neodym-Eisen-Bor erzeugt. Der Clou dieser Technik: Verschleiß­teile und anfäl­lige Zusatz­ag­gre­gate wie zum Beispiel Schleif­ringe zur Über­tra­gung der Erre­ger­leis­tung gibt es nicht mehr. Der Gene­rator ist perfekt gegen Umwelt­ein­flüsse geschützt. Zudem wird die Erre­ger­leis­tung für den Gene­rator selbst einge­spart, sie steht komplett als Ener­gie­er­trag zur Verfü­gung – der elek­tri­sche Wirkungs­grad wird maximal. Bei der herkömm­li­chen Technik mit zwischen Rotor und Gene­rator geschal­tetem Getriebe treten zum Teil extreme Belas­tungen des Trieb­stranges auf. Schlimms­ten­falls muss das Getriebe dabei nach fünf bis zehn Jahren erneuert werden?–?eine kost­spie­lige Aktion. Die insge­samt robuste Technik verhilft den Anlagen von VENSYS, die auf eine Lebens­dauer von zwanzig Jahren ausge­legt sind, zu einer wartungs­armen und zuver­läs­sigen Wind­ener­gie­an­lage. Die Technik weist erstaun­liche Paral­lelen zum EC-Motor auf, den ebm-papst entwi­ckelt hat. Auch hier verzichtet ein bürs­ten­loser, perma­nent­ma­gne­t­erregter Außen­läufer auf Verschleiß­kom­po­nenten und bietet gleich­zeitig entschei­dende Vorteile: einfache Steuer- und Regel­bar­keit, Lang­le­big­keit, Kompakt­heit – und einen Wirkungs­grad von bis zu 90 Prozent.

„Wer grün denkt, denkt wirt­schaft­lich“, weiß Tanja Maringer

Die getrie­belose Technik in der Wind­ener­gie­an­lage forderte die Krea­ti­vität der Entwickler aller­dings an anderer Stelle heraus: „Wir brau­chen einen geeig­neten Frequenz­um­richter, um den erzeugten Strom auf gleich­blei­bende Span­nung und Frequenz zu trans­fe­rieren“, erklärt Maringer und ergänzt, dass der VENSYS-Frequenz­um­richter von einer eigenen Toch­ter­firma in Diep­holz gebaut wird. In diesem Frequenz­um­richter arbeiten eine Menge Konden­sa­toren – und die werden heiß, genau wie der Trans­for­mator, der eben­falls im Turmfuß unter­ge­bracht ist.

Selbst­küh­lende Kraft

An diesem Punkt fanden VENSYS und ebm-papst zuein­ander: „VENSYS kam auf uns zu, als es um die Entwick­lung der Kühlung der Kompo­nenten im Turmfuß ging“, erin­nert sich Winfried Schaefer, Regio­nal­leiter Vertrieb bei ebm-papst. Vor rund fünf Jahren hatte der dama­lige Leiter der Elek­tro­ab­tei­lung Dr. Stephan Jöckel eine bahn­bre­chende Idee: vensys_td Warum nicht wie bei der Kühlung des Gene­ra­tors, die in großer Höhe vorhan­dene saubere und kühle Luft auch für die Kühlung von Umrichter und Trans­for­mator im Turmfuß nutzen? Dazu bedurfte es aller­dings eines Impulses. Den liefert nun ein EC-Axial­ven­ti­lator in der Turmtür. Der EC-Venti­lator im Turmfuß erzeugt einen leichten Unter­druck, der genügt, um den Luft­strom weiter durch den gesamten Turm nach unten in den Fuß zu ziehen – eine Art umge­kehrter Kamin­ef­fekt. Der Luft­mas­sen­strom wird über einen Verteiler auf dem Umrich­ter­schrank zu den Klima­ti­sie­rungs­kom­po­nenten der Platinen im Inneren geführt – in denen weitere ebm-papst EC-Venti­la­toren stecken. Hinter und unter dem Umrich­ter­schrank durch wird die Luft weiter zum Trafo gezogen und schließ­lich warm aus dem Turmfuß geblasen: ein äußerst spar­sames System selbst­küh­lender Kräfte. In der kommenden WKA-Gene­ra­tion werden die EC-Axial­ven­ti­la­toren zudem mit HyBlade®-Schaufeln ausge­rüstet. Diese vereinen die Stabi­lität einer hoch­festen Alumi­ni­um­le­gie­rung mit der Leich­tig­keit und unein­ge­schränkten Form­bar­keit von glas­fa­ser­ver­stärktem Kunst­stoff.

Wer grün denkt, denkt wirt­schaft­lich

Dabei muss der, der an der Quelle sitzt, nicht unbe­dingt Energie sparen, könnte man meinen. Doch Tanja Maringer wider­spricht: „Wer grün denkt, denkt wirt­schaft­lich.“ Denn das Erneu­er­bare-Ener­gien-Gesetz (EEG) sichert den Betrei­bern ein festes Einspei­sungs­ent­geld von momentan 9,2 Cent pro Kilo­watt­stunde zu. Bei einer Inves­ti­ti­ons­summe von rund zwei Millionen Euro pro Anlage rechnet sich der Einsatz ener­gie­spa­render Kompo­nenten durchaus. „Daher sind wir darauf bedacht, dass unsere Anlagen so wenig Strom wie möglich selbst benö­tigen“, schließt Maringer. Bislang trat man mit diesen Wett­be­werbs­vor­teilen nicht direkt an poten­zi­elle Betreiber heran, da das Unter­nehmen vor allem als Lizenz­geber auftrat. In den vergan­genen fünf Jahren konnten Lizenz­nehmer in Tsche­chien, Spanien, Indien, Brasi­lien und vor allem in China gewonnen werden. Inzwi­schen stehen welt­weit bereits 270 Anlagen, doch allein der chine­si­sche Partner plant in diesem Jahr rund 1.000 weitere Anlagen. Seit Anfang dieses Jahres produ­ziert VENSYS am neuen Firmen­sitz in Neun­kir­chen selbst. Die für 2009 geplanten 20 Anlagen werden zunächst nach Auftrag für den deut­schen und euro­päi­schen Markt produ­ziert.

Am neuen Standort Neun­kir­chen liegt die Zukunft schon verpackt: In der neuen Werks­halle startet gerade die erste eigene Produk­tion unter den Augen von Tech­niker Mike Becker (links), Winfried Schaefer von ebm-papst und Tanja Maringer

VENSYS Energy AG

  • 1990 Forschungs­gruppe Wind­energie
  • 2000 VENSYS Ener­gie­sys­teme GmbH & Co. KG in Saar­brü­cken
  • 2007 VENSYS Energy AG
  • 2008 Umzug nach Neun­kir­chen

Als 1990 die Forschungs­gruppe Wind­energie an der Hoch­schule für Technik und Wirt­schaft Saar­brü­cken gegründet wird, ahnt niemand, dass daraus nur zehn Jahre später ein erfolg­rei­ches Spin-off hervor­gehen wird. Denn nachdem die Gruppe 1995 erfolg­reich eine getrie­belose Wind­tur­bine mit 600 Kilo­watt Leis­tung für die Firma GenesYs entwi­ckelt hat, beschließen fünf Mitglieder, dass man auch gleich Anlagen selbst entwi­ckeln und bauen könnte. Im Jahr 2000 wird daher die VENSYS Ener­gie­sys­teme GmbH & Co. KG in Saar­brü­cken gegründet. Mit dem Prototyp VENSYS 62 mit 1,2 Mega­watt Leis­tung gewinnt das junge Unter­nehmen den ersten Lizenz­nehmer: die Firma Gold­wind in China, die heute mit 70 Prozent größter Anteils­eigner ist. In den folgenden drei Jahren kommen ein weiterer Anla­gentyp mit 1,5 Mega­watt sowie vier weitere Lizenz­nehmer hinzu. 2007 firmiert das Unter­nehmen zur VENSYS Energy AG um. 2008 startet die Toch­ter­firma VENSYS Elek­tro­technik GmbH in Diep­holz mit der Produk­tion der selbst­ent­wi­ckelten Frequenz­um­richter. Im August 2008 ziehen die 40 Mitar­beiter von Saar­brü­cken nach Neun­kir­chen um und starten in der neuen eigenen Produk­tion mit zehn Mitar­bei­tern. Im Laufe des Jahres 2010 will man diese Zahl verdop­peln, und dann 20 Anlagen gebaut haben.

www.vensys.de

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