„Aufgrund der neuen Regeln für die Saison 2017, sieht der W08 EQ Power+ schon auf den ersten Blick deutlich verändert aus: flacher, breiter und aggressiver. Dabei stechen der V-förmige Front-, der niedrigere Heckflügel mit der schlanken Zusatzfinne und die Bargeboards vor den Seitenkästen hervor.
Wenn man diese Merkmale aus aerodynamischer Sicht beurteilen möchte, muss man zum einen natürlich die generelle Funktion der strömungstechnischen Ausgestaltung betrachten. Aber zum anderen muss man sich bewusst machen, wie exakt sich diese von außen überhaupt einschätzen lässt. Dafür müsste man sich die Ergebnisse der Simulationen und Messungen anschauen.
Das aerodynamische Grundprinzip
Letztlich geht es auch beim W08 EQ Power+ darum, den Luftwiderstand des gesamten Fahrzeugs möglichst zu verringern, die Leistung des Motors optimal auf die Straße zu bringen und dabei eine möglichst große Bodenhaftung sicherzustellen. Das Gewicht des Fahrzeugs allein reicht dafür bei den hohen Geschwindigkeiten nicht aus. Daher nutzen die Teams strömungsmechanische Bauteile, um ein Durchdrehen der Antriebsräder zu verhindern, beziehungsweise bei Lenkbewegungen die Querkräfte aufrecht zu erhalten. Diese Bauteile minimieren den Einfluss der Verwirbelungen von den eigenen Vorderrädern oder vom vorausfahrenden Fahrzeugen.
Die drei wichtigsten Bereiche des Fahrzeugs
Der W08 EQ Power+ ist flacher, daher liegt der Schwerpunkt tiefer. Das trägt zu einer deutlichen Verbesserung der Bodenhaftung bei, vor allem bei der Kurvenbeschleunigung. Die geometrische Auslegung des Boliden ist allerdings nur in seiner Gesamtheit zu verstehen: Das Fahrzeug wurde zielgerichtet entworfen. Die Form der Nase und des Frontflügels hat ebenso unmittelbare Auswirkungen auf die Strömung am Rest des W08 EQ Power+, wie die Reifen und das Chassis.
Generell ist die Hauptaufgabe des Frontflügels, eine höhere Toleranz gegen eigen- oder fremderzeugte Turbulenzen zu schaffen. Vorne wird so verhindert, dass Strömung unters Fahrzeug gerät und es anhebt – gerade bei Kurvenfahrten. Da es hier kaum Eigengewicht mitbringt, sind aerodynamische Lösungen besonders wichtig.
Der Heckflügel dagegen sorgt für eine möglichst hohe Anpresskraft auf die Hinterachse, um die PS optimal auf die Straße zu übersetzen. So unterstützt er das Gewicht des Motors.
Der Raum vor den Seitenkästen musste in den vergangenen Saisons frei bleiben. Nun findet sich beim W08 EQ Power+ ein mehrstufiges Bargeboard, auf dem sich weitere Luftleitbleche befinden. Diese strömungsmechanischen Bauteile verhindern maßgeblich, dass Turbulenzen unter das Fahrzeug greifen können und verleihen ihm so noch mehr Stabilität.
Saison mit viel Weiterentwicklung
Die Formel 1 steht niemals still und Mercedes-AMG Petronas Motorsport betont selbst, dass die Weiterentwicklung im weiteren Verlauf dieser Saison eine wichtigere Rolle für den Ausgang der Weltmeisterschaft spielt, als die in den vergangenen Jahren der Fall war. Das hängt mit den Regeländerungen zusammen. Die Teams können erst sicher sein, ob die Annahmen, die bei Entwicklung und Simulation getroffen wurden, auch in der Realität zutreffen, wenn das Fahrzeug auf der Strecke ist. In dieser Saison kommt aber ein Faktor erschwerend hinzu: Da das neue Reglement deutlich mehr Freiheiten erlaubt, lässt sich schwer einschätzen, wie die Turbulenzen aussehen, die vor dem Fahrzeug entstehen. Die Wirbelschleppe, die jedes Fahrzeug hinter sich herzieht, wird durch seine Formgebung definiert. Und darauf muss die Formgebung des W08 EQ Power+ angepasst werden.
Als langjähriger Pilot weiß ich, dass zwischen Flugzeuglandungen immer drei Minuten vergehen sollten, da die Turbulenzen, die bei der Landung entstehen, für das nachfolgende Flugzeug extrem hinderlich sind und gefährlich werden können. Formel-1-Boliden müssen mit vergleichbaren Situationen aber klarkommen.“
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