Wie kommen Produktdaten zustande – und wie verlässlich sind sie?
Beides hängt von der Vorgehensweise des Unternehmens ab. Es gab schon Fälle, in denen Daten über Jahre auf der Grundlage von einmal gemessenen Werten regelmäßig extrapoliert wurden. Das ist natürlich keine zuverlässige Lösung — und die Ausnahme. Der klassische Weg ist, die Daten auf Prüfständen zu ermitteln. Denn Verlässlichkeit wird in letzter Instanz durch Messung hergestellt.
Welche Voraussetzungen müssen solche Prüfstände erfüllen?
Prüfstände müssen zum einen normgerecht aufgebaut sein. In der Ventilatorentechnik regelt das vor allem die DIN EN ISO 5801. Prüfstände, die dieser Norm genügen, bieten die entsprechende Vergleichbarkeit. Zum anderen legt das jeweilige Qualitätsmanagement die Prozesse fest, wie eine Messung durchgeführt und ausgewertet wird. In der heutigen Industrielandschaft regelt das zu großen Teilen die DIN ISO 9001. Damit sind auch die Prozesse, die zu den Ergebnissen führen, reproduzierbar.
Führt das nach Ihrer Erfahrung tatsächlich zu vergleichbaren Daten?
In der Regel schon. Wenn das Vergleichsergebnis deutlich abweicht, wurden die Aufbaubedingungen nicht vollständig eingehalten – häufig, weil sie nicht bekannt sind. Der Aufbau muss daher sauber definiert und dokumentiert sein.
Wie real können die Betriebsbedingungen im Test und beim Rechnen überhaupt dargestellt werden?
Die Frage muss zunächst lauten: Wofür brauche ich die Ergebnisse? Möchte man beispielsweise komplexe Ventilatorgeometrien berechnen, weiß man mit einiger Erfahrung, dass man Vereinfachungen durchführen kann, die das Ergebnis nur marginal beeinflussen.
Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Elmendorf
Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Elmendorf leitet das Labor für Strömungsmaschinen an der Hochschule Heilbronn. Zu seinen Schwerpunkten gehören die Projektierung von Ventilatorprüfständen, experimentelle Strömungsuntersuchungen, theoretische Strömungsberechnungen und die Optimierung durchströmter Systeme.
Ein Beispiel: Es gibt viele Ventilatoren, bei denen aus aeroakustischen Gründen die Schaufeln nicht in periodischen Abständen aufgestellt sind. Auf die Luftleistung hat das keinen Einfluss. Wenn ich in einer Berechnung also an lufttechnischen Ergebnissen interessiert bin, kann ich die Schaufeln auch gleichmäßig anordnen. Bin ich aber an aeroakustischen Ergebnissen interessiert, muss ich die Komplexität abbilden. Die eiserne Regel lautet: Ein Ventilator arbeitet nie alleine, sondern immer in einer Umgebung. Um das reale Betriebsverhalten beurteilen zu können, muss ich die Charakteristik des Ventilators und die der Anlage kennen.
Und so kommen dann Ergebnisse nahe der Realität zustande?
Es lassen sich unter Umständen nicht alle Einflussfaktoren in einer Rechnung abbilden. Aber auch in der Messung können diese Unzulänglichkeiten auftreten, da Sie die Originalsituation beim Kunden nicht immer eins zu eins nachbilden können. Möchte ein Kunde das exakte Verhalten herausfinden, bleibt in der Regel nur der Test des Ventilators im Gerät. In Zusammenarbeit mit dem Kunden lässt sich so sehr zuverlässig das Betriebsverhalten in einer speziellen Einbausituation vorhersagen. Rechnerisch ist das nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand umzusetzen.
Was ist besser: messen oder rechnen?
Beides zusammen! In manchen Bereichen kommt man mit einer Messung schneller voran, in anderen mit einer Rechnung. Bessere Rechenmethoden ermöglichen zum Beispiel schnellere Produktzyklen. Die Verlässlichkeit von Rechnungen ist heutzutage hervorragend und sie entwickeln sich stetig weiter – sie sind aber ohne die Validierung durch eine Messung nicht zielführend. Spätestens der Kunde fordert diesen Nachweis ein.
Worauf ist beim Vergleich von Messen und Rechnen zu achten?
Mit einer Rechnung landet man nicht punktgenau auf der Messung. Oft unter- oder überschätzt man Größen wie Druckaufbau oder Wirkungsgrad systematisch – stellt aber fest, dass die Ergebnisse nur parallel verschoben sind. Wenn ich also in der Rechnung durch Veränderung von Geometrieparametern Optimierungen erreiche, kann ich die eins zu eins auf die Messung übertragen. So sind mit der Rechnung Einflussfaktoren zu identifizieren, mit denen ich Verbesserungen erreichen kann — und zwar schneller als bei der Messung.
Der Versuchsaufbau jeder Messung muss sauber definiert und dokumentiert sein.
Wie stark können solche Ergebnisse die Effizienz von Geräten steigern?
In raumlufttechnischen Anwendungen spielt Strömungsoptimierung eine zentrale Rolle. Hier ist noch Potenzial für Effizienzverbesserungen, wenngleich es stetig kleiner wird. Man muss die Wirkungsgradkette im Blick haben: Das Laufrad ist ein wesentlicher Faktor, aber alle anderen Komponenten spielen auch eine Rolle. Das Laufrad selbst kann man von verschiedenen physikalischen Verlustursachen her betrachten: zum Beispiel der Reibung und dem statischen Druck. Allein durch die Optimierung der Einlaufdüse oder des Abströmbereichs lässt sich der Wirkungsgrad steigern. Das beeinflusst sowohl die strömungstechnische Leistung als auch die aeroakustische Seite. Details der Geometrie bieten ebenfalls noch Potenzial. Dort kann das Ergebnis einer Betrachtung aber manchmal sein, dass sich das gesamte strömungstechnische Potenzial zum Beispiel wegen geforderter Raumbegrenzungen gar nicht ausschöpfen lässt.
Gibt es auch Potenzial bei den Untersuchungsmethoden?
Zunehmend kommen auch mathematische Optimierungsstrategien zum Einsatz. Dabei nutzt man das Ergebnis einer Strömungsberechnung und ermittelt durch mathematische Methoden die optimale Konfiguration der Parameter. Das ist sehr aufwendig, da es sich hierbei um ein vieldimensionales Problem handelt. Typischerweise kommt aber auch bei solchen Methoden am Ende wieder die Validierung durch ein Experiment.
Wie wichtig sind Messergebnisse für Kunden?
Der Kunde braucht die Messergebnisse, er braucht aber auch Hilfe bei der Interpretation und bei der Umsetzung. Es muss selbstverständlich sein, dass der Hersteller in seinen Aussagen Klarheit schafft: durch normgerechte Erfassung von Messgrößen und eindeutige Bezeichnungen von Größen. Dazu ist Offenheit im Umgang miteinander gefordert. Der Kunde muss klar sagen können, was er will. Das klingt einfach, ist aber oft erstaunlich kompliziert. Denn der Kunde kennt häufig die Anforderungen seines Kunden noch gar nicht, wenn er sein Gerät konzipiert.
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