© Lauris Aizupietis

Leise sein für die Musik

Futu­ris­ti­sche Archi­tektur, musi­ka­li­sche Super­la­tive, ausge­klü­gelte Lüftung: In der Konzert­halle im letti­schen Vents­pils üben Musik­schüler unter besten Bedin­gungen.


Mit seinen geome­tri­schen Formen wirkt das Konzert­haus wie ein gelan­detes Raum­schiff. (Foto: Adam Mørk)

Wie ein gelan­detes Raum­schiff sitzt das Gebäude inmitten einer grünen Anlage der Stadt am Ostsee­strand. Eine impo­sante Plaza breitet sich vor dem fast 7.000 Quadrat­meter fassenden Gebilde aus schrägen Kanten und Glas­flä­chen aus. Das im Juli 2019 eröff­nete Konzert­haus „Latvija“ mit ange­schlos­sener Musik­schule und Musik­bi­blio­thek im letti­schen Vents­pils ist ein Augen­schmaus — nicht nur von außen.

Wer über die Schwelle des rund 31 Millionen Euro teuren Konzert­hauses schreitet und seinen Weg in den größeren der beiden Konzert­säle — der große fasst rund 600, der kleine rund 150 Menschen – findet, kommt ins Staunen: Hoch über den Köpfen schweben Lampen, die an Manta­rochen erin­nern, elegante Holz­rippen fassen den Blick auf die Bühne ein. Das Konzert­haus beher­bergt die einzige Musik­bi­blio­thek Lett­lands, eine einzig­ar­tige Akustik­orgel des deut­schen Orgel­bauers Johannes Klais und das wahr­schein­lich größte Klavier der Welt. 800 Kilo­gramm schwer mit bis zu fünf Meter langen Saiten, hängt es vertikal drei Meter über dem Boden an der Wand und ist nur über eine Treppe zugäng­lich.

Biblio­thek, Schule und Studio für Musik

Wer nach einer Vorstel­lung im Konzert­saal neugierig auf neue Musik geworden ist, sollte nebenan in der Musik­bi­blio­thek vorbei­schauen. Auf über 150 Quadrat­me­tern bietet sie nicht nur Schü­lern der Musik­schule Erbauung, sondern ist auch der Öffent­lich­keit zugäng­lich. Unter anderem beher­bergt sie einen akus­tisch dichten Raum inklu­sive Bild­schirm für ganz beson­dere Musik­erleb­nisse sowie ein Tonstudio für Aufnahmen.

600 Zuhörer und Zuschauer finden im großen Saal der Konzert­halle im letti­schen Vents­pils Platz. (Foto: Lauris Aizu­pietis)

Das 31 Millionen Euro teure Gebäude ist ein echter Hingu­cker. (Foto: Adam Mørk)

Das ausfüh­rende Archi­tek­tur­büro haas­cook­zemm­rich aus Stutt­gart zeichnet für den Look verant­wort­lich. (Foto: Lauris Aizu­pietis)

„Kein Tag ist wie der andere“

Dieses musi­ka­li­sche Wunder­land ist der Arbeits­platz von Edgars Šifers. Er fing nach der Fertig­stel­lung der Konzert­halle im August als tech­ni­scher Leiter dort an. Davor hatte er zwölf Jahre lang als System­ad­mi­nis­trator in der IT-Branche gear­beitet. Er mag seine neue Stelle, denn: „Kein Tag ist wie der andere. Weil das Gebäude neu ist, sind wir noch dabei, es verstehen zu lernen.“ Als IT-Spezia­list arbeitet er mit dem Gebäu­de­ma­nage­ment-System und ist für Elek­tri­zität, Über­wa­chungs­technik, Brand­schutz und die Lüftung verant­wort­lich. Gerade Letz­tere nimmt ihn in dieser Anfangs­phase noch ordent­lich in Beschlag. „Bei der Konfi­gu­ra­tion der Lüftung lerne ich fast täglich etwas Neues“, sagt er.

Faci­lity-Manager Šifers konfi­gu­riert die Klima­ti­sie­rung. (Foto: Lauris Aizu­pietis)

Mehrere Systeme leisten die Lüftung und Klima­ti­sie­rung des Konzert­hauses. Insge­samt gibt es neun zentrale Lüftungs­sys­teme und ein dezen­trales System, das mit Einzel­ge­räten arbeitet. Während die beiden Konzert­säle zentral versorgt werden, bringt in den klei­neren Übungs­räumen und der Musik­bi­blio­thek dezen­trale Fassaden­belüftung Frisch­luft ins Spiel – und das auf eine inno­va­tive Art und Weise.

Dezen­trale Lüftung „atmet“

Insge­samt 74 Geräte der Stutt­garter Firma LTG AG namens FVPpulse arbeiten in den Räumen im Boden sowie an der Fassade und „atmen“. In den Einheiten ist jeweils ein Venti­lator verbaut und ein Motor steuert eine Klappe, die alle 20 Sekunden ihre Stel­lung wech­selt und so Zustrom und Abluft regelt — das Ein- und Ausatmen, sozu­sagen. Frisch­luft und Abluft werden über ein und dieselbe Öffnung in der Wand einge­sogen und ausge­blasen.

Hier sind keine Lüftungs­ka­näle notwendig und der Instal­la­ti­ons­auf­wand verrin­gert sich deut­lich. Die Geräte arbeiten auto­ma­tisch und regeln zudem das CO2-Niveau der Luft in den Übungs­räumen.

Die einzelnen Arbeits­schritte des FVPpulse von LTG. (Anima­tion: Chris­toph Kalscheuer)

Oben­drein tragen sie ihren Teil zum Grund­ge­danken bei, ein energie­effizientes Gebäude zu schaffen. „In einem Raum mit drei Personen fahren wir mit unter zehn Watt Leis­tungs­auf­nahme. Das ist schon ein großer Wurf“, sagt LTG-Vorstand Ralf Wagner. Auch bei der Wärme­rück­ge­win­nung, bei der mittels eines Wärme­spei­chers die von außen ange­saugte Luft im Gerät erwärmt wird, haben die LTG-Inge­nieure ganze Arbeit geleistet: „Wir errei­chen einen Wirkungs­grad von bis zu 90 Prozent.“ Zusätz­liche Maßnahmen zur Ener­gie­ef­fi­zienz sind eine Wärme­pumpe mit rund 400 Erdsonden und fünf je etwa 100 Meter lange Lüftungs­ka­näle unter dem Konzert­haus.

Für Besu­cher der Musik­bi­blio­thek und Schüler der Musik­schule sind ein opti­males Raum­klima und eine leise Lüftung uner­läss­lich. Das besorgen im Boden verbaute, dezen­trale Lüftungs­ge­räte. (Foto: Lauris Aizu­pietis)

Lüftung muss leise sein

Neben Fragen der Effi­zienz waren in puncto Lüftung aber vor allem akus­ti­sche Werte wichtig. In den Räumen der Musik­schule, in denen Einzel­un­ter­richt statt­findet, wäre ein lautes Lüftungs­gerät schließ­lich extrem störend. „Beim FVPpulse gab es strikte Vorgaben an die Geräusch­ent­wick­lung. Das hat uns zusammen beschäf­tigt“, sagt Rudi Wein­mann, der als regio­naler Vertriebs­leiter bei ebm-papst schon seit mehr als 20 Jahren den Kunden LTG betreut. In den FVPpulse­-Geräten arbeitet jeweils ein rückwärts­gekrümmter Radial­­ventilator RadiCal von ebm-papst, der an sich schon sehr leise ist. Aller­dings ergaben sich durch die asym­me­tri­sche Ansaug­situation und die Klappen­­bauweise der Geräte Verwir­belungen in der Zuströ­mung zum Venti­lator und dadurch zu hohe Geräusch­emis­sionen.

Edgars Šifers mag seinen Job: „Kein Tag ist wie der andere“, sagt er. (Foto: Lauris Aizu­pietis)

„Es entstanden Wirbel­zöpfe, die unmit­telbar auf die rotie­renden Lauf­rad­schau­feln trafen und so einen störenden Dreh­klang erzeugten“, erzählt Wein­mann. Zusammen kam man auf die Lösung des Problems: das Vorleit­gitter Flow­Grid von ebm-papst. An der Ansaug­seite ange­bracht, spaltet es die Wirbel­zöpfe auf und schwächt sie beim Durch­fluss deut­lich ab. Dadurch konnte der Schall­druck­pegel redu­ziert und die Geräusch­emis­sionen schließ­lich um sechs dB(A) gesenkt werden.

Es gibt noch Verbes­serungs­potenzial

Die Lüftung arbeitet also leise und effi­zient — doch es geht immer noch besser. Das denkt zumin­dest Edgars Šifers. Er expe­ri­men­tiert derzeit mit der Steue­rung der FVPpulse-Geräte, die Basis bilden die Arbeits­zeiten der Musik­schule. Deren Betrieb beginnt um acht Uhr und endet um 21 Uhr. Um Energie zu sparen, bleiben die Lüftungs­ge­räte außer­halb dieser Zeit ausge­schaltet. „Wenn die Geräte aber erst um acht Uhr akti­viert werden, ist das nicht optimal fürs Raum­klima“, sagt er. „Wir werden sie jetzt erst einmal bereits um sechs Uhr anschalten und schauen, wie das läuft. Viel­leicht reicht es dann in Zukunft, wenn sie erst ab sieben Uhr laufen.“ Wie in den kleinen Klas­sen­zim­mern, wo Tonlei­tern und Rhythmen geübt werden, braucht es also auch beim Einstellen der Lüftung etwas Geduld.

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