Die Koffer sind gepackt. Rainer Ehrhardt und seine Kollegen warten nur noch auf den Anruf für die Reise zur Inbetriebnahme ihrer Klimageräte in Dubai. Doch der kommt nicht. „Wir haben einfach zu gute Qualität geliefert“, erzählt Ehrhardt und kann sich ein Lachen nicht verkneifen. „Unsere Anlagen haben auf Anhieb funktioniert.“ Ehrhardt ist Vertriebsingenieur bei der Walter Roller GmbH und betreut von Bremen aus die maritimen Aufträge des Unternehmens mit Sitz in Gerlingen bei Stuttgart.
Wuseln im Werk
Das mit Dubai war ein ganz besonderer Auftrag: Auf der dortigen Dry Dock World wuchs die Konverterplattform BorWin gamma des Netzbetreibers TenneT in den blauen arabischen Himmel. Ihre Zieldestination: die Windparks Hohe See und Global Tech I, rund 100 Kilometer vor der Küste der Nordseeinsel Borkum. Im Herbst 2018 unternahm der 18.000 Tonnen schwere gelbe Koloss nach seiner Fertigstellung die 12.000 Kilometer lange Reise an Bord eines Transportschiffs.
In der Offshore-Plattform arbeiten 164 Klimageräte von Roller. Sie hängen in Aufenthaltsbereichen wie Kantine oder Control Room sowie in technischen Funktionsbereichen wie den Konverterräumen. Der Auftrag hielt das Unternehmen, das mit 110 Mitarbeitern am Firmensitz in Gerlingen produziert, ganz schön auf Trab. „Alle Geräte für das Projekt waren Einzelanfertigungen“, berichtet Geschäftsführer Wolfgang Krenn. „Diese Menge verhältnismäßig kurzfristig zu produzieren — da waren wir hier ganz schön am Wuseln.“ Doch nicht nur der kurze Zeitraum zwischen Beauftragung und Lieferung zum Hamburger Hafen waren Herausforderungen: Die technischen, räumlichen und administrativen Anforderungen waren speziell.
Kupfer statt Alu
Da der Salzgehalt der Luft auf See enorm hoch ist, korrodieren die ansonsten üblichen Aluminiumlamellen in den Klimageräten schneller. Daher setzte Roller bei BorWin gamma für die Wärmetauscher Lamellen aus Kupfer ein. Dadurch werden die Geräte allerdings um rund ein Drittel schwerer. „Das macht bei kleineren Geräten nichts aus“, erklärt Entwicklungsleiter Ingo Raisch. „Aber bei großen Luftkühlern mussten wir verstärkte Aufhängungen anbringen.“
„Wenn im Kühlraum beim Bäcker nebenan etwas nicht funktioniert, fährt man kurz vorbei. Das ist bei diesem Projekt natürlich schwierig.“
Rainer Ehrhardt, Vertriebsingenieur bei Walter Roller
Und ab einem Gewicht von 25 Kilogramm waren Sonderaufhängungen, sogenannte Lifting Lugs, vorgeschrieben. „Wir haben jedes einzelne Gerät an einen Kran gehängt, um zu testen, ob die auch funktionieren — seither weiß hier jeder in der Fertigung, was Lifting Lugs sind.“ Aber auch das Innere des Geräts sollte mit Salz zurechtkommen, damit sowohl mit Kaltwasser als auch mit Sole gekühlt werden kann.
Die Luftkühler müssen außerdem auch heizen können. Denn an Tagen, an denen die Räder der Windkraftanlagen stillstehen, besteht an Bord der Plattform die Gefahr, dass sich in den Räumen Kondensat bildet. Da Strom reichlich vorhanden ist, setzt man auf eine Elektroheizung. „Das war für uns ein absoluter Ausnahmefall, der auch nicht ganz einfach zu realisieren war“, erinnert sich Raisch. Zudem musste gewährleistet sein, dass die Oberfläche der Geräte eine bestimmte Temperatur nicht überschreitet. „Bei unseren Versuchen hat es teilweise Stunden gedauert, bis der Heizstab das Gerät auf die kritische Temperatur gebracht hatte — und wir den heißesten Punkt am Gerät identifiziert hatten.“
Auch die Endabnahme der Geräte fand in Gerlingen statt. Ein großes, internationales Team begutachtete eine Woche lang Leistungs- und Schallmessungen an den einzelnen Gerätetypen. „Das ging nur, weil zu dem Zeitpunkt ein kleiner Bereich in der Produktion gerade umgebaut wurde und daher leer stand“, erklärt Geschäftsführer Krenn. Im Fokus bei den Tests stand die Langlebigkeit, wie Rainer Ehrhardt betont: „Wenn im Kühlraum beim Bäcker nebenan etwas nicht funktioniert, fährt man kurz vorbei. Das ist bei diesem Projekt natürlich schwierig.“
Auch von den Ventilatoren in den Geräten erforderte dies höchste Zuverlässigkeit. Die liefern die ebm-papst Radialventilatoren in den zehn großen Klimageräten und die Axialventilatoren in den Hochleistungsluftkühlern. So kommen in deren Motoren besonders robuste Lager zum Einsatz.
Um eine Anforderung musste sich das Team dank der EC-Technologie der Ventilatoren keine Gedanken machen: „Es waren Thermokontakte für den Anschluss der Ventilatoren gefordert — aber hier ist die Elektronik ja bereits integriert.“
Neben der hohen Qualität von Technik und Fertigung spielte ein dritter Faktor eine ganz wesentliche Rolle dafür, dass das Projekt so gut durchlief: die detaillierte Dokumentation. „Wir haben bereits im Vorfeld ganz viele Eventualitäten geklärt“, erzählt Krenn. „Deshalb gab es bislang keine Rückfragen.“ Aber eben auch keine Reise.
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