„Heiztechnisch gesehen ist der Aachener Dom die Hölle“, sagt Jürgen Reinecke und schmunzelt. Er steht im Chor und zeigt nach oben, auf die unzähligen bunten Glasscheiben des beeindruckenden Gebäudes. 1470 wurde der Chor an das ursprüngliche Oktogon aus dem Jahr 812 angebaut. „Das sind zwei Baukörper, die eigentlich überhaupt nicht zusammenpassen.“ Auf der einen Seite sind da die dicken, schweren Mauern, die gar nicht mitbekommen, ob draußen Sommer oder Winter ist. Daneben ist der Chor mit 1.000 Quadratmeter Fensterfläche, in dem die Temperaturen über Nacht absinken. Das führt natürlich unweigerlich zu Zugerscheinungen.
Jürgen Reinecke ist der Mann, der genau die verhindern soll. Bei der Theod. Mahr Söhne GmbH in Aachen verantwortet er die Planung von Kirchenheizungen. Seit 1871 ist dieser Geschäftsbereich eines der Hauptstandbeine des Familienunternehmens. Und das bringt ganz spezielle Anforderungen mit sich. „Eine Kirche ist kein Neubau mit drei Zimmern, in den man schnell mal Heizkörper installiert“, sagt Reinecke. „Wir haben es mit sehr individuellen Fragestellungen zu tun. Und die Lösung sieht in jeder Kirche anders aus.“
Grundsätzlich funktioniert die Beheizung in vielen Gotteshäusern gleich: Von einem zentralen Heizgerät aus strömt die warme Luft über ein Kanalsystem im Boden durch ein Wärmeaustrittsgitter in den Kirchenraum. Über Umluftgitter gelangt sie wieder zurück zum Heizgerät, das im Heizraum untergebracht ist. Früher war die Schwerkraft dafür verantwortlich, dass das funktionierte. Die warme Luft musste also durch ihren eigenen Antrieb in den Kirchenraum und zurück zum Heizgerät strömen.
Das Ergebnis sei meist wenig zufriedenstellend gewesen, da eine gleichmäßige Verteilung der warmen Luft im Raum mit diesem Verfahren nicht möglich war, betont Reinecke. Seit den 1960er-Jahren setzt Mahr in seinen Systemen deshalb auf Ventilatoren, die die erwärmte Luft über die Bodengitter gezielter in den Kirchenraum übertragen und wieder absaugen.
Wärme für St. Vitus in Heidelberg
Für die Überarbeitung des Heizsystems der St.-Vitus-Kirche in Heidelberg setzte Mahr zwei Lösungen ein: Ein Warmwasser-Luftheizgerät beheizt den 1933/1934 angebauten Kirchenraum zentral. Leistungsstarke RadiPac Ventilatoren von ebm-papst sorgen für eine zuverlässige Verteilung der erwärmten Luft. Die Seitenkapelle stattete das Aachener Unternehmen mit einer Mahrcalor-Wärmestation aus, die diesen Kirchenteil lokal beheizt — mit separater Anbindung und Regelmöglichkeit. (Foto | Theod. Mahr Söhne GmbH)
Herausforderungen bei der Kirchenbeheizung:
Produkte nur für die Kirche
Einige Produkte hat das Aachener Unternehmen speziell für seine Kirchenkunden entwickelt: unter anderem Warmwasser-Luftheizgeräte, die Mahrcalor-Wärmestation und Lichterstationen, die den Ruß von Opferkerzen direkt aus der Luft filtern. „Unsere Warmwasser-Luftheizgeräte sind eigentlich die Weiterentwicklung von dem, was wir historisch schon immer gemacht haben: Luftheizungen mit einem zentralen Gerät — im Gegensatz zu konventionellen Anwendungen für Kirchen allerdings mit Warmwasser-Luft-Wärmetauscher“, erklärt Reinecke.
In Kirchen werden sie als reine Heizgeräte eingesetzt. Ein Ventilator wälzt die angesaugte Luft um, führt sie in den Heizraum und lässt die erwärmte Luft dann wieder in die Kirche strömen.
„Als wir unsere Produktpalette vor drei Jahren überarbeitet haben, kam natürlich auch die Frage nach dem passenden Ventilator auf“, erinnert sich Reinecke. Winfried Schaefer, Regionalleiter Vertrieb bei ebm-papst, überzeugte ihn von den RadiPac EC-Radialventilatoren, die seitdem in den Warmwasser-Luftheizgeräten von Mahr verbaut sind.
„Eine Kirche ist kein Neubau mit drei Zimmern, in den man schnell mal Heizkörper installiert. Wir haben es mit sehr individuellen Fragestellungen zu tun.“
Jürgen Reinecke, Theod. Mahr Söhne GmbH
Der Kontakt zu den Mulfinger Ventilatorenspezialisten entstand bereits in den 80er-Jahren, während der Entwicklung der Mahrcalor-Station. Die kompakte Wärmestation wird in den Kirchenboden eingegraben, sichtbar bleibt nur das Gitter, über das die Luft in den Raum strömt. „In diesen Geräten stecken neben Ventilatoren und Filtern jede Menge Elemente für die akustische Dämmung. Schließlich sind wir in einer Kirche und da wollen die Leute nicht, dass während des Gottesdienstes die Technik rappelt“, sagt Reinecke und lacht.
Für einen gleichmäßigen Wärmeeintrag sorgt die Verteilung der Wärmestationen über dem gesamten Kirchenraum — im Langschiff, in den Seitenschiffen, aber auch im Chor. Zunächst arbeiteten die Wärmestationen mit nur einem Ventilator, dann stellte das Aachener Unternehmen auf mehrere kleine Ventilatoren um. Die helfen dabei, im Kirchenraum ein noch gleichmäßigeres Temperaturfeld zu erzeugen.
Die größere Anzahl an Ventilatoren sorgt heute in Verbindung mit längeren Bodengittern für ein angenehmes Raumklima. „Je nach Baugröße haben wir nun zwei bis sechs Ventilatoren im Einsatz. ebm-papst ist gerade da gut aufgestellt“, betont Reinecke. Die Radialgebläse saugen die Luft an, leiten sie über einen Filter in die Mahrcalor-Station und bringen die erwärmte Luft zurück in die Kirche.
Manchmal muss es das U-Boot sein
Also alles Standard und einfach zu installieren? Ganz und gar nicht! „In Kirchen müssen wir uns mit den räumlichen Gegebenheiten begnügen und unsere Technik sehr individuell — manchmal richtig U-Boot-mäßig — in die vorhandene Infrastruktur einpassen.“ Da bringt es Vorteile, dass Mahr seine Produkte noch selbst fertigt: „Wir haben Zugriff auf alle Komponenten und können so einfach und schnell Anpassungen daran vornehmen. Das macht uns flexibel.“
Passt das Standardmaß mal nicht in den Heizraum, machen Reinecke und sein Team es passend. Zudem lassen sich die Geräte fast komplett zerlegen. „Beim Ventilator ist dann irgendwann Schluss, der muss durch die Tür passen, aber alle anderen konstruktiven Elemente können wir verändern.“
Wer nicht fragt …
Da maßgeschneiderte Lösungen auch eine individuelle Beratung erfordern, hat Mahr einen deutschlandweiten Vertrieb aufgebaut, der die Kirchenkunden vor Ort berät. „Für einen Installationsbetrieb mit eigener Fertigung ist das schon ungewöhnlich“, sagt Reinecke. Für ihn ist es aber der einzige Weg zu einem optimal ausgelegten Kirchenheizsystem. Kommt eine Anfrage ins Haus, erörtert der zuständige Außendienstmitarbeiter im ersten Schritt in der Kirche die genauen Voraussetzungen.
„Wir fertigen unsere Produkte noch selbst. Dadurch können wir Anpassungen an allen Komponenten einfach und schnell vornehmen.“
Jürgen Reinecke
Mit im Gepäck hat er viele Fragen: Wie wird die Kirche aktuell und wie soll sie in Zukunft genutzt werden? Soll nur der Kirchenraum oder auch die Sakristei beheizt werden? Wie sieht das vorhandene System aus und welche Teile davon lassen sich weiter verwenden? Er prüft auch, wie die räumlichen Gegebenheiten genau aussehen und wo es möglicherweise Knackpunkte gibt.
Sind diese Punkte geklärt, startet das Team um Reinecke mit der Auslegung des Heizungssystems. Dabei spielen neben der Raumgröße auch die verwendeten Baustoffe eine Rolle. „Einfachverglaste Fenster muss ich anders mit einberechnen als ungedämmte, dicke Wände“, sagt Reinecke. „Und dann ist da noch die ungewöhnliche Nutzung: In der Regel wird die Temperatur im Winter auf etwa zehn Grad gehalten und dann zum Gottesdienst gezielt erhöht. Mit Standardberechnungen lässt sich das nicht abbilden.“
Alte Schätze und neue Probleme
Neben der Fachkenntnis aller Beteiligten besitzen die Heizungsspezialisten einen ganz besonderen Schatz, der im Keller des Aachener Firmensitzes schlummert: In einem riesigen Archiv lagern dort Akten mit vielen Informationen zu den 17.794 Kirchenheizungen, die Mahr in den letzten 147 Jahren installiert hat. Bei vielen Anfragen weiß Reinecke also schnell, wie die Gegebenheiten vor Ort aussehen. Eine fundierte Basis, in großen Teilen analog, auf Papier und Mikrofilm.
Die Aachener Spezialisten sehen sich aber immer häufiger mit neuen Anforderungen konfrontiert. Ein Problem, mit dem immer mehr Gemeinden kämpfen, ist ein zu feuchtes Klima in den Kirchen. Der Grund dafür ist bisher noch unklar, das Ergebnis dagegen deutlich sichtbar: Es bildet sich Schimmel an Altären, Orgeln und Wänden. Dem wirkt Mahr zunehmend mit Lüftungsgeräten und selbst entwickelter Regelungstechnik entgegen. „Wir messen die Feuchtigkeit und steuern die Anlagen dann entsprechend, um ein günstigeres Raumklima zu schaffen“, sagt Reinecke. Mit diesen Maßnahmen gelingt es, wertvolle Fresken und historische Instrumente vor Schäden zu bewahren.
Das kollidiere dann allerdings oftmals mit der Wahrnehmung der Kirchenbesucher: „Heute kommen die Leute aus ihrem 22 Grad warmen Wohnzimmer und fahren mit ihrem vorgeheizten Auto zur Kirche, in der es 15 Grad hat. Das erscheint ihnen natürlich kalt. Als die Leute noch 45 Minuten durch den Schnee zur Kirche stapften, kamen ihnen acht Grad schon mollig warm vor“, sagt Reinecke mit einem Augenzwinkern. „Ich kann eine Kirche mit einer Orgel aber nicht auf 20 Grad heizen. Das Instrument würde in kürzester Zeit Schaden nehmen.“ Die eingesetzte Regelungstechnik übernehmt hier eine Schutzfunktion.
Harte Nüsse wie den Aachener Dom gibt es aber auch für den Kirchenexperten Reinecke nach wie vor. „Dieses Bauwerk komplett zugfrei zu bekommen, ist ein Ding der Unmöglichkeit“, sagt er. Da ist neben anspruchsvoller Technik dann auch viel Beratungsarbeit gefragt. Aber dafür ist er ja bestens gewappnet.
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