Geoff Barker dreht den Wasserhahn auf und freut sich. Nicht so sehr, weil warmes Wasser aus der Leitung kommt – das kann er schließlich von einem neuen Boiler erwarten. Nein, weil er weiß, dass er dabei Geld spart. Das Gerät, das bei Barker platzsparend an der Wand hängt, unterscheidet sich äußerlich nicht von einem ganz gewöhnlichen Gasboiler: Es ist kompakt und spendet Wärme für Wasser und Heizung. Doch nebenbei produziert es auch noch Strom. Ein derart einfaches Mikro-Blockheizkraftwerk hat es bisher noch nicht gegeben.
Der kleine Wunderkasten der Firma Flowgroup aus Chester im Nordwesten Englands ist seit Anfang des Jahres unter dem Namen Flow auf dem britischen Markt und ist für größere Haushalte gedacht. Wäre Barker ein ganz normaler Kunde, müsste er für das Gerät nicht einmal bezahlen. Der Deal: Wer sich für den Flow entscheidet, muss nur die Installationskosten tragen. Zur Finanzierung des Boilers schließen die Kunden einen Vertrag mit der Flowgroup ab, die zugleich Gas und Strom liefert. Danach erhalten die Kunden einen Rabatt auf ihre Stromrechnung, der die Kosten der Finanzierung deckt — möglich macht das die kostengünstige lokale Energieerzeugung. Nach fünf Jahren ist der Flow abbezahlt und der dann produzierte Strom führt zu Kosteneinsparungen.
Vom Start-up zum Heizungsbauer
Barker jedoch ist kein normaler Kunde, bei ihm hängt das Gerät nur zu Testzwecken. Er ist Business Development Director bei der Flowgroup und war von Anfang an beteiligt an der Entwicklung des Flow. Bis zur Serienreife war es jedoch ein langer Weg: Das Unternehmen startete 1998, mit dem Geschäftsmodell, neue Energietechnologien zu entwickeln, die es dann an andere Firmen weiterverkaufte.
Die Geschichte des Flow beginnt im Jahr 2006. „Ursprünglich wollten wir nur eine neue, kostengünstige Technologie für ein Mikro-Blockheizkraftwerk entwickeln, die wir an Heizgerätehersteller weiterverkaufen wollten. Doch während der Entwicklung haben wir uns entschlossen, die komplette Produktion und Vermarktung selbst in die Hand zu nehmen“, erläutert Barker. Für ein Unternehmen, das selbst noch nie einen Boiler hergestellt hat, kein ganz einfaches Unterfangen. Zumal die zugrunde gelegte Technologie in dieser Form noch nicht zum Einsatz kam.
Der umgedrehte Kühlschrank
Die ähnelt dem Kühlkreislauf eines Kühlschranks – und der hat mit einem Gasboiler bekanntlich wenig gemein: Während der eine Wärme entzieht, soll der andere möglichst viel davon produzieren. Die Konstrukteure stellten das Kreislaufprinzip auf den Kopf und der Flow-Boiler arbeitet nun genau umgekehrt – mit dem sogenannten Organic Rankine Cycle. Ein Verfahren, das bereits bei Geothermie- oder Solarkraftwerken zum Einsatz kommt. Andere Hersteller setzen bei diesen Geräten auf teure Lösungen wie Stirlingmotoren oder Brennstoffzellen.
Während der Entwicklung haben wir uns entschlossen, Produktion und Vermarktung selbst in die Hand zu nehmen.
Geoff Barker, Business Development Director der Flowgroup
Der Flow hingegen funktioniert im Prinzip wie ein normaler Gasbrennwertkessel, nur dass die Verbrennungswärme nicht Wasser, sondern eine spezielle Flüssigkeit mit einem niedrigen Siedepunkt erhitzt. Diese entspricht der Kühlflüssigkeit im Kühlschrank. Der Dampf, der dabei entsteht, treibt eine Spirale an, die wie ein kleiner Generator Strom erzeugt. Hat der Dampf diese Aufgabe erfüllt, gelangt er in einen Wärmetauscher, um dort das Wasser zu erhitzen. Dadurch verflüssigt es sich wieder und der Kreislauf kann von vorne beginnen. Eine Pumpe sorgt dafür, dass er in Gang bleibt.
So weit die Theorie. In der Praxis bedeutete das viel Entwicklungsarbeit. „Am meisten Arbeit mussten wir in die Entwicklung der Pumpe stecken, sie ist eine Schlüsselkomponente für den Kreislauf“, erklärt Barker. Denn der Druck und die Geschwindigkeit, mit der sie die Flüssigkeit antreibt, sind entscheidend für die Leistung des Flow. Der Motor für die Pumpe muss daher mit hohen und niedrigen Drücken zurechtkommen, sollte dabei aber nicht zu heiß werden. Da der Siedepunkt der Flüssigkeit sehr niedrig ist, darf der Motor sie nicht zu stark aufheizen, denn die dabei entstehenden Dampfblasen würden Schäden an der Pumpe erzeugen.
Know-how vom Festland
Etwa zur gleichen Zeit tüftelten die Ingenieure bei ebm-papst in Landshut an einem neuen Motor für Ventilatoren. Als Paul Prescod, kaufmännischer Leiter bei ebm-papst Automotive & Drives UK, bei einer Präsentation von diesem Projekt erfuhr, dachte er gleich an den Antrieb für die Pumpe, den die Ingenieure der Flowgroup bei ihm angefragt haben. „Der Motor aus Landshut war zwar ursprünglich nicht für solche Anwendungen gedacht, aber seine Eigenschaften passten ziemlich gut zu den Anforderungen“, erinnert sich Prescod.
Seine Kollegen in Landshut waren schnell gewonnen und fertigten einen Prototyp des Motors an, der später als BG 43 auf den Markt kommen sollte. Der EC-Motor überzeugte sofort. „Genau danach hatten wir gesucht: nach einem sehr effizienten Motor, der nur wenig Platz einnimmt“, betont Barker. Eine intensive Zusammenarbeit begann. „Wir haben viele verschiedene Prototypen des Flow entwickelt und ebm-papst hat uns bei jedem neuen Entwicklungsschritt mit seinem Know-how unterstützt“, erzählt Barker. Für die Pumpe wurde am Ende ein italienischer Hersteller gewählt. „Da wir auch in Italien präsent sind, konnten wir diesen Schritt problemlos mitgehen und auch dort die Arbeit unterstützen“, hebt Christian Diegritz, Head of Sales Department im Landshuter Werk, hervor. Der Standort hat die Entwicklung des Projekts maßgeblich unterstützt.
Doch die Unterstützung beschränkte sich nicht auf den Motor. Die Flowgroup entschied sich auch beim Gebläse für ebm-papst: für den NRG 118. Das freute Steve Durant, Senior Consultant bei ebm-papst UK, der für diese Komponente verantwortlich war: „Wir konnten nun Motor und Gebläse im Paket anbieten, was die Kosten für den Flow weiter senkte.“ Kein unwesentliches Kriterium, denn immerhin sollte der Flow für jeden erschwinglich bleiben.
Clevere Geschäftsidee
Nach zahlreichen Tests und Zertifizierungen machte das Mikro-Blockheizkraftwerk immer weitere Fortschritte. Nun, im Jahr 2013, stand bei der Flowgroup die Frage im Raum: Wie kommt das kleine Kraftwerk am besten in die Haushalte? Die etwas ungewöhnliche Antwort lautete: über ein eigenes Energieunternehmen! „Wir gründeten also ein Tochterunternehmen, das Kunden mit Gas und Strom versorgt. So bauten wir einen Kundenstamm auf, der als potenzieller Abnehmer für den Flow infrage kam“, erläutert Barker die etwas andere Geschäftsidee.
Von der profitieren die Kunden seit Anfang 2015 in vielerlei Hinsicht. Das Gerät nimmt wenig Platz ein und die Installation ist simpel. „Wir haben den Flow so konstruiert”, erklärt Barker, „dass Heizungsinstallateure ihn nach einer kurzen Schulung einfach an die Wand montieren können.“ Dort produziert er ganz nebenbei pro Jahr etwa 2.000 Kilowattstunden Strom. Das entspricht der Hälfte des Bedarfs eines durchschnittlichen britischen Haushalts. Hat sich der Flow nach fünf Jahren abbezahlt, sparen die Verbraucher somit rund 50 Prozent bei ihrer Stromrechnung ein. Noch gibt es Flow nur in Großbritannien. „Wir sprechen aber bereits mit Energieunternehmen in anderen Ländern, um das Mikro-Blockheizkraftwerk dort einzuführen“, sagt Barker.
Smarter Strom
Die gasbetriebene Brennkammer erhitzt eine spezielle Flüssigkeit, vergleichbar mit der Kühlflüssigkeit im Kühlschrank. Der dabei entstehende Dampf treibt einen Generator an und erzeugt Strom.
Der heiße Dampf erhitzt daraufhin Wasser in einem Wärmetauscher und kondensiert dabei wieder. Die Flüssigkeit wird zurück in die Brennkammer gepumpt.
Der Kreislauf beginnt von vorne.
Schreiben Sie einen Kommentar