© Foto | James Andrews/ebm-papst

Mehr als Wärme

Der neue Boiler der briti­schen Firma Flow­group ist anders als seine Zeit­ge­nossen: Er produ­ziert nicht nur Wärme, sondern auch Strom – und finan­ziert sich so selbst. Die Geschichte eines außer­ge­wöhn­li­chen Projekts.


Geoff Barker dreht den Wasser­hahn auf und freut sich. Nicht so sehr, weil warmes Wasser aus der Leitung kommt – das kann er schließ­lich von einem neuen Boiler erwarten. Nein, weil er weiß, dass er dabei Geld spart. Das Gerät, das bei Barker platz­spa­rend an der Wand hängt, unter­scheidet sich äußer­lich nicht von einem ganz gewöhn­li­chen Gasboiler: Es ist kompakt und spendet Wärme für Wasser und Heizung. Doch nebenbei produ­ziert es auch noch Strom. Ein derart einfa­ches Mikro-Block­heiz­kraft­werk hat es bisher noch nicht gegeben.

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In Reih und Glied: Das Mikro-Block­heiz­kraft­werk muss im Labor zahl­reiche Tests bestehen.

Der kleine Wunder­kasten der Firma Flow­group aus Chester im Nord­westen Englands ist seit Anfang des Jahres unter dem Namen Flow auf dem briti­schen Markt und ist für größere Haus­halte gedacht. Wäre Barker ein ganz normaler Kunde, müsste er für das Gerät nicht einmal bezahlen. Der Deal: Wer sich für den Flow entscheidet, muss nur die Installations­kosten tragen. Zur Finan­zie­rung des Boilers schließen die Kunden einen Vertrag mit der Flow­group ab, die zugleich Gas und Strom liefert. Danach erhalten die Kunden einen Rabatt auf ihre Strom­rech­nung, der die Kosten der Finan­zie­rung deckt — möglich macht das die kosten­günstige lokale Energie­erzeugung. Nach fünf Jahren ist der Flow abbe­zahlt und der dann produ­zierte Strom führt zu Kosten­einsparungen.

Vom Start-up zum Heizungs­bauer

Barker jedoch ist kein normaler Kunde, bei ihm hängt das Gerät nur zu Test­zwe­cken. Er ist Busi­ness Deve­lo­p­ment Director bei der Flow­group und war von Anfang an betei­ligt an der Entwick­lung des Flow. Bis zur Seri­en­reife war es jedoch ein langer Weg: Das Unter­nehmen star­tete 1998, mit dem Geschäfts­mo­dell, neue Ener­gie­tech­no­lo­gien zu entwi­ckeln, die es dann an andere Firmen weiter­ver­kaufte.

Die Geschichte des Flow beginnt im Jahr 2006. „Ursprüng­lich wollten wir nur eine neue, kosten­güns­tige Tech­no­logie für ein Mikro-Block­heiz­kraft­werk entwi­ckeln, die wir an Heiz­ge­rä­te­her­steller weiter­ver­kaufen wollten. Doch während der Entwick­lung haben wir uns entschlossen, die komplette Produk­tion und Vermark­tung selbst in die Hand zu nehmen“, erläu­tert Barker. Für ein Unter­nehmen, das selbst noch nie einen Boiler herge­stellt hat, kein ganz einfa­ches Unter­fangen. Zumal die zugrunde gelegte Tech­no­logie in dieser Form noch nicht zum Einsatz kam.

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Der Boiler benö­tigt nur wenig Platz im Haus­halt.

Der umge­drehte Kühl­schrank

Die ähnelt dem Kühl­kreis­lauf eines Kühl­schranks – und der hat mit einem Gasboiler bekannt­lich wenig gemein: Während der eine Wärme entzieht, soll der andere möglichst viel davon produ­zieren. Die Konstruk­teure stellten das Kreis­lauf­prinzip auf den Kopf und der Flow-Boiler arbeitet nun genau umge­kehrt – mit dem soge­nannten Organic Rankine Cycle. Ein Verfahren, das bereits bei Geothermie- oder Solar­kraft­werken zum Einsatz kommt. Andere Hersteller setzen bei diesen Geräten auf teure Lösungen wie Stir­ling­mo­toren oder Brenn­stoff­zellen.

Während der Entwick­lung haben wir uns entschlossen, Produk­tion und Vermark­tung selbst in die Hand zu nehmen.

Geoff Barker, Busi­ness Deve­lo­p­ment Director der Flow­group

Der Flow hingegen funk­tio­niert im Prinzip wie ein normaler Gasbrenn­wert­kessel, nur dass die Verbren­nungs­wärme nicht Wasser, sondern eine spezi­elle Flüs­sig­keit mit einem nied­rigen Siede­punkt erhitzt. Diese entspricht der Kühl­flüs­sig­keit im Kühl­schrank. Der Dampf, der dabei entsteht, treibt eine Spirale an, die wie ein kleiner Gene­rator Strom erzeugt. Hat der Dampf diese Aufgabe erfüllt, gelangt er in einen Wärme­tau­scher, um dort das Wasser zu erhitzen. Dadurch verflüs­sigt es sich wieder und der Kreis­lauf kann von vorne beginnen. Eine Pumpe sorgt dafür, dass er in Gang bleibt.

So weit die Theorie. In der Praxis bedeu­tete das viel Entwick­lungs­ar­beit. „Am meisten Arbeit mussten wir in die Entwick­lung der Pumpe stecken, sie ist eine Schlüs­sel­kom­po­nente für den Kreis­lauf“, erklärt Barker. Denn der Druck und die Geschwin­dig­keit, mit der sie die Flüs­sig­keit antreibt, sind entschei­dend für die Leis­tung des Flow. Der Motor für die Pumpe muss daher mit hohen und nied­rigen Drücken zurecht­kommen, sollte dabei aber nicht zu heiß werden. Da der Siede­punkt der Flüs­sig­keit sehr niedrig ist, darf der Motor sie nicht zu stark aufheizen, denn die dabei entste­henden Dampf­blasen würden Schäden an der Pumpe erzeugen.

Know-how vom Fest­land

Etwa zur glei­chen Zeit tüftelten die Inge­nieure bei ebm-papst in Landshut an einem neuen Motor für Venti­la­toren. Als Paul Prescod, kauf­män­ni­scher Leiter bei ebm-papst Auto­mo­tive & Drives UK, bei einer Präsen­ta­tion von diesem Projekt erfuhr, dachte er gleich an den Antrieb für die Pumpe, den die Inge­nieure der Flow­group bei ihm ange­fragt haben. „Der Motor aus Landshut war zwar ursprüng­lich nicht für solche Anwen­dungen gedacht, aber seine Eigen­schaften passten ziem­lich gut zu den Anfor­de­rungen“, erin­nert sich Prescod.

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Inten­sive Zusam­men­ar­beit: Geoff Barker (Mitte) disku­tiert mit Paul Prescod (rechts) und Steve Durant von ebm-papst UK über Motor und Gebläse.

Seine Kollegen in Landshut waren schnell gewonnen und fertigten einen Prototyp des Motors an, der später als BG 43 auf den Markt kommen sollte. Der EC-Motor über­zeugte sofort. „Genau danach hatten wir gesucht: nach einem sehr effi­zi­enten Motor, der nur wenig Platz einnimmt“, betont Barker. Eine inten­sive Zusam­men­ar­beit begann. „Wir haben viele verschie­dene Proto­typen des Flow entwi­ckelt und ebm-papst hat uns bei jedem neuen Entwick­lungs­schritt mit seinem Know-how unter­stützt“, erzählt Barker. Für die Pumpe wurde am Ende ein italie­ni­scher Hersteller gewählt. „Da wir auch in Italien präsent sind, konnten wir diesen Schritt problemlos mitgehen und auch dort die Arbeit unter­stützen“, hebt Chris­tian Diegritz, Head of Sales Depart­ment im Lands­huter Werk, hervor. Der Standort hat die Entwick­lung des Projekts maßgeb­lich unter­stützt.

Doch die Unter­stüt­zung beschränkte sich nicht auf den Motor. Die Flow­group entschied sich auch beim Gebläse für ebm-papst: für den NRG 118. Das freute Steve Durant, Senior Consul­tant bei ebm-papst UK, der für diese Kompo­nente verant­wort­lich war: „Wir konnten nun Motor und Gebläse im Paket anbieten, was die Kosten für den Flow weiter senkte.“ Kein unwe­sent­li­ches Krite­rium, denn immerhin sollte der Flow für jeden erschwing­lich bleiben.

Clevere Geschäfts­idee

Nach zahl­rei­chen Tests und Zerti­fi­zie­rungen machte das Mikro-Block­heiz­kraft­werk immer weitere Fort­schritte. Nun, im Jahr 2013, stand bei der Flow­group die Frage im Raum: Wie kommt das kleine Kraft­werk am besten in die Haus­halte? Die etwas unge­wöhn­liche Antwort lautete: über ein eigenes Ener­gie­un­ter­nehmen! „Wir grün­deten also ein Toch­ter­un­ter­nehmen, das Kunden mit Gas und Strom versorgt. So bauten wir einen Kunden­stamm auf, der als poten­zi­eller Abnehmer für den Flow infrage kam“, erläu­tert Barker die etwas andere Geschäfts­idee.

Von der profi­tieren die Kunden seit Anfang 2015 in vielerlei Hinsicht. Das Gerät nimmt wenig Platz ein und die Instal­la­tion ist simpel. „Wir haben den Flow so konstru­iert”, erklärt Barker, „dass Heizungs­in­stal­la­teure ihn nach einer kurzen Schu­lung einfach an die Wand montieren können.“ Dort produ­ziert er ganz nebenbei pro Jahr etwa 2.000 Kilo­watt­stunden Strom. Das entspricht der Hälfte des Bedarfs eines durch­schnitt­li­chen briti­schen Haus­halts. Hat sich der Flow nach fünf Jahren abbe­zahlt, sparen die Verbrau­cher somit rund 50 Prozent bei ihrer Strom­rech­nung ein. Noch gibt es Flow nur in Groß­bri­tan­nien. „Wir spre­chen aber bereits mit Ener­gie­un­ter­nehmen in anderen Ländern, um das Mikro-Block­heiz­kraft­werk dort einzu­führen“, sagt Barker.

Smarter Strom

smarter_stromDie gasbe­trie­bene Brenn­kammer erhitzt eine spezi­elle Flüs­sig­keit, vergleichbar mit der Kühl­flüs­sig­keit im Kühl­schrank. Der dabei entste­hende Dampf treibt einen Gene­rator an und erzeugt Strom.

Der heiße Dampf erhitzt daraufhin Wasser in einem Wärme­tau­scher und konden­siert dabei wieder. Die Flüs­sig­keit wird zurück in die Brenn­kammer gepumpt.

Der Kreis­lauf beginnt von vorne.

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