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„ArgoDrive ist bereits sicher inte­griert im Einsatz“

Wie sorgt man in der Intra­lo­gistik für größt­mög­liche Sicher­heit beim Betrieb frei beweg­li­cher fahrer­loser Trans­port­fahr­zeuge? Das und mehr erklärt Henry Sämisch, Appli­ca­tion Engi­neer in der Busi­ness Unit Indus­trial Drive Tech­no­logy bei ebm-papst.


Herr Sämisch, was genau ist das ArgoDrive Antriebs­system und welche Vorteile bietet es in der Intra­lo­gistik?

Das ArgoDrive Antriebs­system ist eine abge­stimmte Komplett­lö­sung aus Soft­ware, Antriebs­steue­rung und dem Fahr-Lenk-System ArgoDrive. Es wurde speziell für fahrer­lose Trans­port­fahr­zeuge entwi­ckelt und macht diese omni­di­rek­tional beweg­lich. Dadurch können AGVs auch aus dem Stand in jede Rich­tung fahren. Hallen­grund­risse können dadurch zum Beispiel ganz anders gestaltet werden und oft sogar kleiner ausfallen, weil die Fahr­zeuge auf engstem Raum manö­vrieren können.

Das macht die Intra­lo­gistik maximal flexibel und effi­zient.

Henry Sämisch, Appli­ca­tion Engi­neer Busi­ness Unit Indus­trial Drive Tech­no­logy ebm-papst

Möglich ist das durch den unend­li­chen Lenk­winkel und das 360°-Rad unseres Fahr-Lenk-Systems ArgoDrive. Das ist eine kompakte Einheit aus zwei bürs­ten­losen DC-Motoren, einem Getriebe, Sensorik und allen erfor­der­li­chen Anschluss-Steckern. Durch das Über­la­ge­rungs­ge­triebe tragen die zwei Motoren sowohl zum Lenken, Beschleu­nigen und Fahren als auch zum Bremsen bei – ganz nach Bedarf.

Und welche Heraus­for­de­rungen ergeben sich daraus?

Das stellt natür­lich beson­dere Anfor­de­rungen an die Navi­ga­tion, Rege­lungs­technik, Lang­le­big­keit, Soft­ware und vor allem an die Sicher­heit. Jedes Kolli­si­ons­ri­siko muss unbe­dingt ausge­schlossen werden. Ganz beson­ders dort, wo Menschen arbeiten und Verkehrs­wege von AGVs zusam­men­treffen. Deshalb haben wir uns bei der Entwick­lung unseres Antriebs­sys­tems von Anfang an sehr stark mit dem Thema Sicher­heit beschäf­tigt.

Wie schließen Sie Kolli­si­ons­ri­siken aus?

ArgoDrive bietet mehrere Möglich­keiten, um in jedem Fall zuver­lässig zu reagieren. Beispiels­weise führt die Sicher­heits­steue­rung bei einer Schutz­feld­ver­let­zung den Befehl eines sicheren Stopps des Antriebs­sys­tems aus. Die Antriebe bieten eine hohe Brems­leis­tung. Bis zu 2,5 m/s2 Verzö­ge­rung sind mithilfe der elek­tro­mo­to­ri­schen Bremsen möglich. Im Falle eines Falles kann zusätz­lich eine Notbrem­sung erfolgen. Dafür wird die eben­falls im Fahr-Lenk-System inte­grierte Bremse genutzt.

bis zu 2,5 m/s2 Verzö­ge­rung

Sollte die Strom­ver­sor­gung des AGVs versagen, wech­selt ArgoDrive in einen sicheren Halt und verhin­dert so unkon­trol­lierte Bewe­gungen. Das heißt, ArgoDrive unter­stützt alle typi­schen und notwen­digen Safety-Anfor­de­rungen.

Wie funk­tio­niert die Kommu­ni­ka­tion in diesen Fällen?

Um Omni­di­rek­tio­na­lität zu errei­chen, benö­tigt ein AGV mindes­tens zwei ArgoDrive Fahr-Lenk-Systeme. Jedes Einzelne wird über zwei externe Regler ange­steuert. Auch die Signale für den Lenk­winkel sind redun­dant ausge­führt und die Posi­tion des Lenk­win­kels kann jeder­zeit ermit­telt werden. Zusätz­lich ist eine STO-Funk­tion inte­griert, die für zuver­läs­sigen Halt sorgt. Halte­bremse und Safe Torque Off lassen sich aber auch gemeinsam auslösen.

Außerdem über­wacht der Antrieb, dass eine bestimmte Maxi­mal­ge­schwin­dig­keit nicht über­schritten wird und sich das AGV nur in die gewünschte Rich­tung bewegt. Begriffe aus der funk­tio­nalen Sicher­heit hierfür sind SLS (Safe Limited Speed) und SD (Safe Direc­tion). Dafür haben die Motoren stan­dard­mäßig zwei unab­hän­gige Geber­sys­teme: zum einen die inte­grierten Hall­sen­soren zur Kommu­tie­rung und zum anderen einen hoch­auf­lö­senden Inkre­men­ta­len­coder zur Rege­lung. Durch den Abgleich beider Signale kann die Elek­tronik die Dreh­zahl funk­tional sicher erfassen. Voraus­set­zung ist nur, dass das Fahr-Lenk-System ArgoDrive korrekt in das Steue­rungs­system des AGVs imple­men­tiert wird.

Sind die Inte­gra­tion in das AGV und die Soft­ware-Imple­men­tie­rung mit großem Aufwand verbunden?

Nein, die Inte­gra­tion von ArgoDrive in das Fahr­zeug ist völlig unkom­pli­ziert. Alle Teile sind kompakt und sicher verbaut. Es gibt keine bewegten Kabel.  All-in-one-Motor­kabel mit indus­trie­taug­li­chen Steckern machen den elek­tri­schen Anschluss ganz einfach.

Auch die Inte­gra­tion in die Steue­rungs­technik ist denkbar einfach, denn wir haben auf Basis der Sicher­heits­kenn­zahlen bereits Sicher­heits­kon­zepte mit den namhaften Unter­nehmen SICK und Siemens abge­stimmt. Das redu­ziert den Aufwand bei der Imple­men­tie­rung und Montage. Und falls es doch mal Fragen gibt, stehen wir AGV-Herstel­lern jeder­zeit als Entwick­lungs­partner zur Verfü­gung.

Inwie­fern unter­scheiden sich die Sicher­heits­kon­zepte von SICK und Siemens?

Beide Konzepte sind schon erfolg­reich im Praxis­ein­satz. Die Soft­ware-Inte­gra­tion mit Siemens ist aufgrund vorge­fer­tigter Funk­ti­ons­bau­steine beson­ders schnell umsetzbar für alle, die bei der Entwick­lung eines AGVs bereits die Steue­rung SIMOVE nutzen.

„Die Soft­ware-Inte­gra­tion mit SICK bietet hingegen maxi­male Flexi­bi­lität bei der Wahl der Fahr­zeug­steue­rung. Hersteller von AGVs können so optimal auf spezi­fi­sche Kunden­an­for­de­rungen reagieren.“

Henry Sämisch, Appli­ca­tion Engi­neer Busi­ness Unit Indus­trial Drive Tech­no­logy ebm-papst

Wie funk­tio­niert das Sicher­heits­kon­zept mit SICK dann genau?

Je nachdem, welche Schnitt­stelle der High­Level IPC im AGV bietet, wird das ArgoDrive Fahr-Lenk-System wahl­weise über CANopen oder EtherCAT ange­steuert. Dazu braucht ArgoDrive ledig­lich drei Vorgaben: Kommando, Lenk­winkel und Fahr­ge­schwin­dig­keit. Im glei­chen Zuge sendet ArgoDrive den Status, Lenk­winkel und die Fahr­ge­schwin­dig­keit zurück. Die gesamte Rege­lung und Last­ver­tei­lung über­nimmt unsere Hard- und Soft­ware.

Parallel führt die Safety-Steue­rung anhand der redun­danten Geber­si­gnale einen Crosscheck durch. Somit sind die Funk­tionen Safety Limited Speed und Safety Direc­tion sicher­ge­stellt.

Welche Vorteile ergeben sich daraus für die Hersteller von AGVs?

Dadurch, dass unser ArgoDrive Antriebs­system alle rele­vanten Sicher­heits­kenn­zahlen wie MTTFd-Werte, B10-Werte, Perfor­mance Level, STO usw. erfüllt und den Anfor­de­rungen der FTS-Normen ISO 13849 und ISO 3691-4 entspricht, wird es für die Hersteller leichter, ein eigenes Sicher­heits­kon­zept zu erstellen. Damit wird zudem die Zerti­fi­zie­rung des Gesamt­fahr­zeuges bei der TÜV-Prüf­stelle verein­facht.

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