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Die Effi­zienz-Formel

Früher war Effi­zienz nicht mit den Prin­zi­pien der Formel 1 vereinbar – 2014 hat sich das geän­dert


Die Formel 1 erlebt in der Saison 2014 die aner­kannt größte tech­ni­sche Revo­lu­tion seit ihrem Debüt im Jahr 1950. Obwohl die Verän­de­rungen wahr­schein­lich die umfang­reichsten in der Geschichte sind, handelt es sich keines­falls um den ersten großen Umbruch inner­halb des Sports. Seit Jahr­zehnten loten die Inge­nieure die Grenzen der Perfor­mance aus. Sie holen das Maximum aus der verfüg­baren Tech­no­logie heraus und erfor­schen jegliche Entwick­lungs­mög­lich­keiten auf der Suche nach der auto­mo­bilen Perfek­tion. Das Ziel ist es, mit ihren Werken in die Annalen der Motor­sport­ge­schichte einzu­gehen. Die immer komple­xeren Regel­werke erfor­dern immer neue Inno­va­tionen, um sich stetig an die sich verän­dernden sport­li­chen und tech­ni­schen Anfor­de­rungen anzu­passen.

Die Revo­lu­tion des Jahres 2014 hat jedoch gering­fügig andere Wurzeln, denn das neue Regle­ment wurde geschrieben, um neue Tech­no­lo­gien anzu­kur­beln, nicht um diese einzu­schränken. Die Auto­mo­bil­in­dus­trie strebt stetig danach, aus weniger mehr zu machen. Somit werden Effi­zienz und Hybrid-Tech­no­lo­gien immer rele­vanter. Die Formel 1 ist die Königs­klasse der Auto­mo­bil­technik und Perfor­mance. Aus diesem Grund spielt sie eine entschei­dende Rolle dabei, diese Tech­no­lo­gien voran­zu­treiben.

In der Vergan­gen­heit mag der Begriff Effi­zienz nicht mit den Prin­zi­pien der Formel 1 vereinbar gewesen sein: Er stellte einen konser­va­tiven Kontrast zum „Vollgas“-Image des Sports dar. Im Jahr 2014 hat sich diese Wahr­neh­mung jedoch grund­le­gend verän­dert. Einfach gesagt bedeutet Effi­zienz heute Perfor­mance. Die Leis­tung eines Saug­mo­tors wird durch die Menge an Luft defi­niert, die ange­saugt werden kann. Die Perfor­mance der brand­neuen V6 Hybrid-Turbo Power Unit wird hingegen durch die verfüg­bare Sprit­menge bestimmt. Der Fahrer, der am meisten Perfor­mance aus den verfüg­baren 100 kg an Benzin-Energie heraus­holen kann – mit anderen Worten also die beste Umwand­lungs­ef­fi­zienz erzielt -, wird einen Leis­tungs­vor­teil haben. Je effi­zi­enter die Power Unit die Benzin-Energie in kine­ti­sche Energie umwan­deln kann, desto stärker wird dieser Vorteil ausfallen.

Die Effi­zienz zählt schon seit langer Zeit zu den wich­tigsten Entwick­lungs­be­rei­chen in der Formel 1. In der Vergan­gen­heit war die Benzin­menge nicht einge­schränkt, weshalb der Vorteil darin lag, Gewicht zu sparen. Einfach gesagt: Je weniger Benzin man im Tank hatte, desto leichter und schneller war das Auto – insbe­son­dere am Start des Rennens. In der Saison 2014 ist die Benzin­menge für das Rennen auf 100 kg fest­ge­legt. Im Vorjahr lag die übliche Renn­sprit­menge noch bei rund 150 kg. Um die gleiche Renn­di­stanz mit einer ähnli­chen Geschwin­dig­keit absol­vieren zu können, musste die Power Unit 30% effi­zi­enter werden – eine Heraus­for­de­rung, die ganz beson­dere, neue Tech­no­lo­gien erfor­derte.

Ein Teil des Effi­zienz-Gewinns wird mit dem V6-Verbren­nungs­motor erzielt. Dieser ist ein klei­nerer Motor mit gerin­gerem Hubraum, der mit nied­ri­geren Umdre­hungen als sein Vorgänger genutzt wird. Die Leis­tungs­ab­gabe und damit die Effi­zienz werden von einem Turbo­lader verstärkt. Auf diese Weise kann zusätz­liche Leis­tung aus der glei­chen Menge an Benzin-Energie gewonnen werden. Die wirk­lich clevere Idee hinter dem Ganzen ist jedoch das ERS Hybrid-System. In der Saison 2014 gibt es bis zu sieben verschie­dene Energie-Wege, um die Energie inner­halb des Autos
zurück­zu­ge­winnen. Das Ziel lautete: Es soll die gleiche Leis­tung – rund 750 PS – erreicht werden, aller­dings mit einem Drittel weniger Benzin­ver­brauch.

Natür­lich spielt das Gewicht eine entschei­dende Rolle bei der Perfor­mance. Das neue Regle­ment schreibt ein Mindest­ge­wicht von 691 kg für das Auto vor – in der Saison 2013 waren es noch 642 kg. Dieses Gewicht ist nun jedoch viel schwie­riger zu errei­chen. Die Power Unit muss ein Mindest­ge­wicht von 145 kg errei­chen. Die notwen­digen Kühlungs­be­dürf­nisse des Turbo­la­ders und der Hybrid-Systeme vergrö­ßern diese Heraus­for­de­rung noch einmal zusätz­lich.

Aber auch aus aero­dy­na­mi­scher Sicht wurden die Inno­va­tionen bis an ihre Grenzen ausge­lotet. Grund­sätz­lich gibt es zwei Schlüs­sel­ele­mente für ein schnelles Formel 1-Auto: Die größt­mög­liche Leis­tung, um auf den Geraden zu beschleu­nigen, sowie eine gute mecha­ni­sche und aero­dy­na­mi­sche Perfor­mance, um schnell durch die Kurven fahren zu können. Das Regle­ment für die Saison 2014 bringt eine Reihe neuer Heraus­for­de­rungen mit sich, die sich nicht nur in den offen­sicht­li­cheren Berei­chen des Autos nieder­schlagen, sondern vor allem bei der Kompakt­heit.

Die Inte­gra­tion der Power Unit und der damit verbun­denen Systeme in das Chassis ist von außen nicht sichtbar, stellte die Teams aber vor eine große aero­dy­na­mi­sche Heraus­for­de­rung. Die Power Unit selbst hat eine gänz­lich andere Form als ihr Vorgänger. Hinzu kommen weitere Hybrid­sys­teme sowie ein komplexes Auspuff­system samt eines Lade­luft­küh­lers, der für das Aufla­dungs­system benö­tigt wird. All diese Faktoren tragen zu den Kühlungs­an­for­de­rungen des Autos bei. Der rich­tige Umgang mit der Hitze ist nicht nur für die Inte­grität des Autos wichtig, sondern auch für die Perfor­mance und Effi­zienz. Hierbei gibt es zwei entge­gen­ge­setzt wirkende Einflüsse: Der eine soll sicher­stellen, dass diese Kompo­nenten inner­halb des opti­malen Tempe­ra­tur­fens­ters arbeiten, der andere soll dafür sorgen, dass die damit verbun­denen Kühl­sys­teme die aero­dy­na­mi­sche Effi­zienz des Fahr­zeugs nicht beein­träch­tigen.

Die Formel 1 stellt in der Saison 2014 eine Reihe neuer Heraus­for­de­rungen an die Desi­gner, Inge­nieure, Fahrer und Zuschauer. Wie schon in vergan­genen Gene­ra­tionen des Sports fördern neue Regeln Inno­va­tionen und präsen­tieren damit neue Spit­zen­tech­no­lo­gien in der Formel 1. Die zusätz­liche Span­nung kommt dabei aber nicht nur den Zuschauern zugute, sondern auch der Auto­mo­bil­in­dus­trie im Allge­meinen. So auch in der aktu­ellen Phase eines Evolu­ti­ons­pro­zesses, der die Formel 1 an der Spitze gegen­wär­tiger Tech­no­lo­gien posi­tio­niert. In der Saison 2014 kehrt der „Motor“ sprich­wört­lich zurück in den Begriff „Motor­sport“.

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