© Mercedes-Benz Grand Prix Ltd.

„Das Fahr­zeug wurde ziel­ge­richtet entworfen“

Der Mercedes-AMG F1 W08 EQ Power+, der neue Formel-1-Bolide von Mercedes-AMG Petronas Motor­sport wartet mit deut­lich sicht­baren Verän­de­rungen auf, die das Strö­mungs­ver­halten opti­mieren. Dr. Bruno Lindl, Geschäfts­führer Forschung und Entwick­lung der ebm-papst Gruppe, passio­nierter Pilot und Aero­dy­na­mik­ex­perte nimmt die Details unter die Lupe.


Dr. Bruno Lindl, Geschäfts­führer Forschung und Entwick­lung der ebm-papst Gruppe

„Aufgrund der neuen Regeln für die Saison 2017, sieht der W08 EQ Power+ schon auf den ersten Blick deut­lich verän­dert aus: flacher, breiter und aggres­siver. Dabei stechen der V-förmige Front-, der nied­ri­gere Heck­flügel mit der schlanken Zusatz­finne und die Barge­boards vor den Seiten­kästen hervor.

Wenn man diese Merk­male aus aero­dy­na­mi­scher Sicht beur­teilen möchte, muss man zum einen natür­lich die gene­relle Funk­tion der strö­mungs­tech­ni­schen Ausge­stal­tung betrachten. Aber zum anderen muss man sich bewusst machen, wie exakt sich diese von außen über­haupt einschätzen lässt. Dafür müsste man sich die Ergeb­nisse der Simu­la­tionen und Messungen anschauen.

Das aero­dy­na­mi­sche Grund­prinzip

Der gebo­gene Front­flügel schafft höhere Tole­ranz gegen eigen- oder frem­derzeugte Turbu­lenzen. (Foto | Mercedes-Benz Grand Prix Ltd.)

Letzt­lich geht es auch beim W08 EQ Power+ darum, den Luft­wi­der­stand des gesamten Fahr­zeugs möglichst zu verrin­gern, die Leis­tung des Motors optimal auf die Straße zu bringen und dabei eine möglichst große Boden­haf­tung sicher­zu­stellen. Das Gewicht des Fahr­zeugs allein reicht dafür bei den hohen Geschwin­dig­keiten nicht aus. Daher nutzen die Teams strö­mungs­me­cha­ni­sche Bauteile, um ein Durch­drehen der Antriebs­räder zu verhin­dern, bezie­hungs­weise bei Lenk­be­we­gungen die Quer­kräfte aufrecht zu erhalten. Diese Bauteile mini­mieren den Einfluss der Verwir­be­lungen von den eigenen Vorder­rä­dern oder vom voraus­fah­renden Fahr­zeugen.

Die drei wich­tigsten Bereiche des Fahr­zeugs

Der W08 EQ Power+ ist flacher, daher liegt der Schwer­punkt tiefer. Das trägt zu einer deut­li­chen Verbes­se­rung der Boden­haf­tung bei, vor allem bei der Kurven­be­schleu­ni­gung. Die geome­tri­sche Ausle­gung des Boliden ist aller­dings nur in seiner Gesamt­heit zu verstehen: Das Fahr­zeug wurde ziel­ge­richtet entworfen. Die Form der Nase und des Front­flü­gels hat ebenso unmit­tel­bare Auswir­kungen auf die Strö­mung am Rest des W08 EQ Power+, wie die Reifen und das Chassis.

Der nied­ri­gere Heck­flügel mit der schlanken Zusatz­finne (Foto | Mercedes-Benz Grand Prix Ltd.)

Gene­rell ist die Haupt­auf­gabe des Front­flü­gels, eine höhere Tole­ranz gegen eigen- oder frem­derzeugte Turbu­lenzen zu schaffen. Vorne wird so verhin­dert, dass Strö­mung unters Fahr­zeug gerät und es anhebt – gerade bei Kurven­fahrten. Da es hier kaum Eigen­ge­wicht mitbringt, sind aero­dy­na­mi­sche Lösungen beson­ders wichtig.
Der Heck­flügel dagegen sorgt für eine möglichst hohe Anpress­kraft auf die Hinter­achse, um die PS optimal auf die Straße zu über­setzen. So unter­stützt er das Gewicht des Motors.

Der Raum vor den Seiten­kästen musste in den vergan­genen Saisons frei bleiben. Nun findet sich beim W08 EQ Power+ ein mehr­stu­figes Barge­board, auf dem sich weitere Luft­leit­bleche befinden. Diese strö­mungs­me­cha­ni­schen Bauteile verhin­dern maßgeb­lich, dass Turbu­lenzen unter das Fahr­zeug greifen können und verleihen ihm so noch mehr Stabi­lität.

Saison mit viel Weiter­ent­wick­lung

Die mehr­stu­figen Barge­boards, auf dem sich weitere Luft­leit­bleche befinden. (Foto | Mercedes-Benz Grand Prix Ltd.)

Die Formel 1 steht niemals still und Mercedes-AMG Petronas Motor­sport betont selbst, dass die Weiter­ent­wick­lung im weiteren Verlauf dieser Saison eine wich­ti­gere Rolle für den Ausgang der Welt­meis­ter­schaft spielt, als die in den vergan­genen Jahren der Fall war. Das hängt mit den Regel­än­de­rungen zusammen. Die Teams können erst sicher sein, ob die Annahmen, die bei Entwick­lung und Simu­la­tion getroffen wurden, auch in der Realität zutreffen, wenn das Fahr­zeug auf der Strecke ist. In dieser Saison kommt aber ein Faktor erschwe­rend hinzu: Da das neue Regle­ment deut­lich mehr Frei­heiten erlaubt, lässt sich schwer einschätzen, wie die Turbu­lenzen aussehen, die vor dem Fahr­zeug entstehen. Die Wirbel­schleppe, die jedes Fahr­zeug hinter sich herzieht, wird durch seine Form­ge­bung defi­niert. Und darauf muss die Form­ge­bung des W08 EQ Power+ ange­passt werden.

Als lang­jäh­riger Pilot weiß ich, dass zwischen Flug­zeug­lan­dungen immer drei Minuten vergehen sollten, da die Turbu­lenzen, die bei der Landung entstehen, für das nach­fol­gende Flug­zeug extrem hinder­lich sind und gefähr­lich werden können. Formel-1-Boliden müssen mit vergleich­baren Situa­tionen aber klar­kommen.“

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